Das Buch Ruth (Heft 3)

Nach der Elberfelder Bibelübersetzung

Vorwort

Die uns vorliegende Auslegung "Das Buch Ruth" enthält einen Einblick in das damalige Leben jener Familie Elime-lechs – Ruth – Boas als Schattenbilder auf das Volk Israel (Elimelech) – Ruth (Proselyten) – Boas (himmlischer Boas, Jesus Christus).

In klarer, nüchterner und tiefer Wortauslegung wird uns der Blick in die damalige Zeit der Vorschattung auf die zukünftigen, prophetischen Voraussagen Israels bis ins Millennium vorgestellt. Aus diesem Grunde ist die Auslegung "ohne" Berücksichtigung der Gemeindezeit, sondern nur rein die Israelseite (selbst über die Ruth als Moabitin), vorgenommen worden. Eine exegetische Verflechtung der Perspektive mit der Gemeinde einzubeziehen, ist hier deplaziert und bedürfte einer absolut getrennten Auslegung.

In einer Zeit wie heute, wo ein Blätterwald von Literatur auf die Gläubigen abgelassen wird, was alles von anderen falsch gemacht wird, erquickt es Leib, Seele und Geist, wortverbundene Auslegungen zu lesen, die unsere Herzen neu dem Herrn in Verbindung bringen und ausrichten.

Darum wird jedem Leser empfohlen, die in der Auslegung aufgeführten Bibelstellen nachzuschlagen und die ganze Arbeit nur unter dieser Vorgabe aufzuarbeiten. Einen Segen vom Herrn erhalten wir nur dann, wenn wir uns selbst um das Wort bemühen. Allen Lesern wird ein bleibender Segen Gottes daheraus gewünscht.

Werner Bergmann

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Die Vorgeschichte Ruth 1,1-2

"Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Lande." Gott hatte sich Seines Volkes Israel angenommen. Vierhundert Jahre hatten sie den Ägyptern gedient, doch dann gedachte Gott "seines heiligen Wortes, Abrahams, seines Knechtes; Und er führte sein Volk heraus mit Freuden, mit Jubel seine Auserwählten" (Psalm 105,42-43).

Mit der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn leitete er sie durch die Wüste. Als sie aus dem Land Ägypten auszogen, "führte Gott sie nicht den Weg durch das Land der Philister, wiewohl er nahe war; denn Gott sprach: Damit es das Volk nicht gereue, wenn sie den Streit sehen, und sie nicht nach Ägypten zurückkehren" (2. Mose 13,17). Vielmehr errettete er sie "aus der Hand des Hassers, und erlöste sie aus der Hand des Feindes." Als sie diese Rettung erlebten, "glaubten sie seinen Worten, sie sangen sein Lob" (Psalm 106,10.12).

Gott war mit ihnen: "Er breitete eine Wolke aus zur Decke, und ein Feuer, die Nacht zu erleuchten" (Psalm 105,39). So waren sie vor ihren Feinden geschützt. Gott "ließ Wachteln kommen; und mit Himmelsbrot sättigte er sie. Er öffnete den Felsen, und es flössen Wasser heraus; sie liefen in den dürren Ortern wie ein Strom"(Psalm 105,40.41). Er gab ihnen Satzungen und Gesetze, die sie lernen sollten zu bewahren (Psalm 105,45). Jeden Tag erlebten sie so die Gemeinschaft mit ihrem Gott, lernten, Umgang mit Ihm zu pflegen und auf Ihn zu vertrauen.

Nach vierzig Jahren Wüstenwanderung durchzogen sie den Jordan und siedelten sich im Land Kanaan an, um es nach dem Worte Gottes in Besitz zu nehmen. Josua, der Diener Moses, starb; da erweckte Gott dem Volk Richter, die ihnen

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vorstanden (Ri. 2,16). In diese Zeit gehören sowohl das Buch Ruth als auch das Buch der Richter. Beide Bücher zeigen das Leben des Volkes Israel nach dem Einzug in das verheißene Land.

Das Buch der Richter handelt vom Abfall des Volkes von ihrem Gott und von ihrem Verharren in den Sünden. Richter 21,25: "In jenen Tagen war kein König in Israel; ein jeder tat was recht war in seinen Augen." Dieses sündliche Verhalten löste in damaliger Zeit das Gericht Gottes an Seinem Volke aus. Es wird aber auch die Ursache für das Gericht Gottes in der 70. Jahrwoche sein.

Das Buch Ruth gibt einen anderen Einblick in diese Zeit der Richter. Hier erweist Gott dem Volk Seine Barmherzigkeit und Gnade, nach den Worten in Jesaja 1,9: "Wenn Jehova der Heerscharen uns nicht einen gar kleinen Überrest gelassen hätte, wie Sodom wären wir, Gomorra gleich geworden." Gott zeigt nun, was Seinem Volk nach der Inbesitznahme des Landes Kanaan widerfahren wird.

In dem Buch der Richter überwiegt das Gericht. In dem Buch Ruth liegt der Schwerpunkt auf der Gnade. Daß auch die Zeit, in der sich die Ereignisse des Buches Ruth abspielen, Gerichtszeit ist, geht aus den Worten hervor: "Da entstand eine Hungersnot im Lande." Die Durststrecke, die das Volk Israel heute noch geht, wird erst dann von ihnen genommen werden, wenn Gott sich dieses Volkes erbarmen wird. Er selbst wird ihnen ein neues Herz und Seinen Geist in ihr Inneres geben (Hes. 36,26.27). Weiter heißt es: "Und ihr werdet in dem Lande wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe, und ihr werdet mein Volk, und ich werde euer Gott sein … Und ich werde das Getreide herbeirufen und es mehren, und keine Hungersnot mehr auf euch bringen; und ich werde die Frucht des Baumes und den Ertrag des Feldes mehren, auf daß ihr nicht mehr den Schimpf einer Hungersnot traget unter den Nationen" (Hes. 36,28-30).

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Noomis Familie

"Und ein Mann von Bethlehem-Juda zog hin, um sich in den Gefilden Moabs aufzuhalten … und der Name des Mannes war Elimelech." Der Name Elimelech bedeutet "Mein Gott ist König". In Israel stand die Namensgebung unter der Leitung Gottes. Die Bedeutung eines Namens wurde mit dem Wesen und Verhalten einer Person in Zusammenhang gebracht. Elimelech steht hier mit der Bedeutung seines Namens nicht nur für sich, sondern auch für das Volk der Juden. Gott will in dem Buch Ruth gerade das Verhalten Seines Volkes zum Ausdruck bringen.

Das Trachten Elimelechs, aber auch die Gesinnung des Volkes der Juden sollte nur sein: Mein Gott ist König. Hatte Israel Mose nicht immer wieder versprochen: "Alles was Jehova geredet hat, wollen wir tun!" (2. Mose 19,8; 24,3.7)? Welch großes Versprechen! Doch schon im letzten Kapitel des Buches der Richter erweist sich das Volk als wortbrüchig. Dort heißt es : "In jenen Tagen war kein König in Israel" (Richter 21,25). Denn wenn ein jeder tat, was recht war in seinen Augen, dann tat er nicht, was recht war in den Augen Gottes. Dann war Gott auch nicht ihr König.

Elimelech war ein Mann aus Bethlehem-Juda, d.h. diese Stadt gehörte zum Erbteil des Stammes Juda. In ihr wurden die Fürsten Judas geboren. Bethlehem bedeutet "Brothaus". Aus Bethlehem kommt das Brot des Lebens – Christus. So war Juda mit diesem Brothaus verbunden, "denn das Heil ist aus den Juden" (Joh. 4,22). An der Frucht, die der Mann Elimelech hervorbrachte, ist ersichtlich, daß nicht nur er, sondern auch das Volk der Juden Gott als seinen König verworfen hatte. Die Frucht Elimelechs waren Machion und Kiljon. Machion war, der Bedeutung seines Namens gemäß, kränklich und schwächlich. Kiljon bedeutet "sich abhärmend, verschmachtend". Sie waren Ephratiter, was auf

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"Fruchtbarkeit" hinweist (Ruth 1,2). Doch das war nicht die Fruchtbarkeit, die ein Mann hervorbringt, der Gott zu seinem Herrn und König gemacht hat. Das war die Frucht eines Mannes, der den geraden Weg verlassen hatte, eines Volkes, das tat, was recht war in seinen Augen.

Statt Gott zu suchen, verließen sie ihr Land. Statt umzukehren von ihren Verirrungen, um das Brot des Lebens, das Wort Gottes, zu erbitten, gingen sie und suchten das Brot Moabs. Sie sättigten sich mit diesem Brot und mußten die bittere Erfahrung machen, daß Gott nicht in fremden Lehren zu finden ist. Die Moabiter waren Kinder Lots, des Neffen Abrahams, der sich von der Lust seiner Augen leiten ließ und viel Not in sein Leben brachte (1. Mose 13,10-11). So kam aus ihm die Frucht der Moabiter. Sie waren mit ihrer Lehre die großen Verführer Israels. In Offenb. 2,14 steht geschrieben, daß Balaam den Balak lehrte, "ein Ärgernis vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben." Auch in 2. Petr. 2,15 und Judas 11 wird von der Verführung des Volkes berichtet. Dieses auserwählte Volk Gottes, der Stamm Juda, der hier in Elimelech dargestellt wird, aß das Brot Moabs und sättigte sich.

Tod Elimelechs, Machlons und Kiljons Ruth 1,3-5

Elimelechs Frucht oder die Frucht, die Juda brachte, als sie ihren Gott und den ihnen verheißenen Messias – Jesus Christus – verwarfen, waren Machion und Kiljon. Dieses auserwählte Volk, das von dem Gott im Himmel sagen durfte: "Mein Gott ist König", ging völlig unter inmitten des Volkes der Moabiter. Elimelech starb (Vers 3). Auch Machion und Kiljon, zu schwach und zu kränklich, fanden nicht den Weg zurück zu ihrem Gott. Sie nahmen sich moabitische Frauen

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gleich ihren Vorfahren in der Zeit der Wüstenwanderung (4. Mose 25,1-2). So schmachteten sie dahin, bis auch sie starben.

Noomi, ein Bild auf das Gesetz

Übrig blieb eine Witwe, Noomi. Als "Witwe" sieht Gott Sein Volk immer dann, wenn zum Ausdruck kommen soll, daß Israel seinen Gott verworfen hat, für tot erklärt. Klagel. l,lff: "Wie sitzt einsam die volkreiche Stadt, ist einer Witwe gleich geworden." Warum? Weil sie gemäß 1. Sam. 8,5 den Nationen gleich sein wollten und Gott in Vers 7 sagen mußte: "Höre auf die Stimme des Volkes in allem was sie dir sagen; denn nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, daß ich nicht König über sie sein soll." Auch im Johannesevangelium schrie das Volk: "Hinweg, hinweg! kreuzige ihn! … Wir haben keinen König als nur den Kaiser" (Joh. 19,15).

Gott aber spricht von sich und Israel: "Kehret um, ihr abtrünnigen Kinder, spricht Jehova, denn ich habe mich ja mit euch vermählt" (Jer. 3,14). Und in Jes. 62,5: "Und wie der Bräutigam sich an der Braut erfreut, so wird dein Gott sich an dir erfreuen." In Jer. 31,32 sagt er: "Nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern gemacht habe an dem Tage, da ich sie bei der Hand faßte, um sie aus dem Lande Ägypten herauszuführen, welchen meinen Bund sie gebrochen haben; und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt."

Israel und Juda, die einst die Huldvolle, Liebliche in Gottes Augen war, Sein ganzes Wohlgefallen und Seine Liebe besaß, wurde zur Bitterkeit, zur Betrübten (Jes. 54,5-8). So auch die Bedeutung des Namens Noomi: "Huldvolle, Liebliche". Darum sagt Noomi bei ihrer Rückkehr: "Nennet mich

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nicht Noomi, nennet mich Mara", d.h. "Bittere, Betrübte". Bitter wäre es für das Volk Israel heute, wenn der liebende Gott nicht Sein Wort aufrechterhalten würde, das Er über sie in 1. Sam. 12,22 ausgesprochen hat: "Denn Jehova wird um seines großen Namens willen sein Volk nicht verlassen; denn es hat Jehova gefallen, euch sich zum Volke zu machen."

noomi und die beiden schwiegertöchter Ruth 1,6-15

Gott verheißt dem Volk Israel eine Zeit neuer Zuwendung. Ein Wort ergeht an Sein Volk: "Fürchte dich nicht, denn du wirst nicht beschämt werden, und schäme dich nicht, denn du wirst nicht zu Schanden werden; sondern du wirst der Schmach deiner Jugend vergessen und der Schande deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken. Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann, – Jehova der Heerscharen ist sein Name – und der Heilige Israels ist dein Erlöser: er wird der Gott der ganzen Erde genannt werden" (Jes. 54,4.5). Das sind Trostworte für ein Volk, auf dem die Folgen der Untreue schwer lasten. Und wenn Noomi nicht gewußt hätte, daß Gott ein Gott ist, dessen Erbarmungen nicht zu Ende sind, dessen Treue groß ist (Klagel. 3,22.23), so hätte sie wohl nach so vielen Jahren nicht den Mut gehabt, in ihre Heimat zurückzukehren. Hier zeigt sich, daß Juda seinen Gott sehr wohl kennt, und daß nicht Unwissenheit es aus den Armen Gottes getrieben hatte.

Noomi geht nicht allein. Ihre beiden Schwiegertöchter wollen mit ihr zu ihrem Volk zurückkehren (Ruth 1,7-10). Ruth und Orpa sind zwei Moabitinnen, die durch ihre Heirat mit Machion und Kiljon zu Töchtern Israels wurden. Diese zwei

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Frauen zeigen in ihrem Verhalten Noomi gegenüber, wie Juda Seinem Gott begegnen wird, wenn er Sein Volk heimsucht. Juda einerseits, so verweltlicht, daß es wie Nationen gewertet werden kann, ist seinem Gott so fremd geworden, daß nur eine äußere Form es an Ihn gebunden hält, gleich der Heirat Ruths und Orpas mit den Söhnen Elimelechs.

Noomi drängt ihre Schwiegertöchter, in den Schoß ihrer Abstammung zurückzukehren. Hätte Noomi nicht über den Entschluß ihrer Schwiegertöchter beglückt sein können? War nicht schon an Abraham das Wort ergangen: "In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!" (1. Mose 12,3)? Sie aber läßt in ihnen keinen Funken Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft aufkommen. "Habe ich noch Söhne in meinem Leibe, daß sie euch zu Männern werden könnten? Kehret um, meine Töchter, gehet! … Wenn ich spräche: Ich habe Hoffnung; wenn ich selbst diese Nacht eines Mannes würde und sogar Söhne gebären sollte: wolltet ihr deshalb warten, bis sie groß würden?"

Gibt es denn Hoffnung aus dem Gesetz, welches Gott Mose gegeben hatte? Steht nicht in Hebr. 7,18.19, daß es seiner Nutzlosigkeit wegen abgeschafft worden ist? "Denn das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht." Vielmehr sagt Gott: "Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da werde ich in Bezug auf das Haus Israel und in Bezug auf das Haus Juda einen neuen Bund vollziehen; nicht nach dem Bunde, den ich mit ihren Vätern machte an dem Tage, da ich ihre Hand ergriff, um sie aus dem Lande Ägypten herauszuführen; denn sie blieben nicht in meinem Bunde, und ich kümmerte mich nicht um sie, spricht der Herr" (Hebr. 8,8ff).

Noomi sagt: "Ich bin zu alt, um eines Mannes zu werden." Und der Hebräerbrief gibt die Bestätigung dafür: "Was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe" (Hebr. 8,13). Betrübt mußte Noomi feststellen (Vers 13): "Nicht doch, meine Töchter! denn mir ergeht es viel bitterer als

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euch; denn die Hand Jehovas ist wider mich ausgegangen." Das Gesetz hatte in Noomis Leben Zorn bewirkt (Rom. 4,15).

Ruth und Orpa hatten begriffen, daß von Seiten Noomis, d.h. aus dem Gesetz, keine Hoffnung da war. Sie mußten sich entscheiden. Orpa küßte ihre Schwiegermutter und ging, Ruth aber hing ihr an (Ruth 1,14). Das bedeutet: Ein Teil des Volkes Israel wird Gott, wenn Er sie heimsucht, für immer den Rücken kehren. Sie werden ihre hartnäckige und widerspenstige Haltung Gott gegenüber nicht aufgeben. Hat der Name Orpa nicht deshalb die Bedeutung "hartnäckig, widerspenstig, die Rückenkehrende"? Sie werden in der Gesinnung Moabs verharren, wie geschrieben steht: "Weil Moab und Seir sprechen: Siehe, das Haus Juda ist wie alle Nationen" (Hes. 25,8), d.h. ohne Verheißung, ohne Gott. Noomi führt Ruth die Entscheidung Orpas vor Augen mit den Worten: "Siehe, deine Schwägerin ist zu ihrem Volke und zu ihren Göttern zurückgekehrt …" und fährt fort: "… kehre um, deiner Schwägerin nach!" (Ruth 1,15). Warum weist Noomi Ruth so schonungslos darauf hin, welches Leben sie an ihrer Seite erwarten würde? Ruth, die hier den Überrest der Juden darstellt, die dem Herrn anhangen werden, sollte wissen, daß es für sie keine Zukunft unter dem Gesetz gab. Juda muß es wissen: In Verbindung mit dem Gesetz sind neuer Bund, Fruchtbarkeit und Herrschaft nicht möglich. Hier nun wurde Ruth bewußt, daß der Weg, den sie ging, ein Weg der Selbstverleugnung war. Sie war zwar durch die Heirat eine Tochter Israels geworden, blieb aber dennoch Witwe und Fremde.

Die Entscheidung, die Ruth und Orpa trafen, ist dem Neuen Testament nicht fremd. In Johannes 6,67 fragt der Herr Jesus die Jünger: "Wollt ihr etwa auch weggehen?" Petrus antwortet: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens." Und genau das war es, was Ruth erfaßt hatte. Sie hatte den Gott Israels durch Noomi kennengelernt. Der Psalmist sagt: "Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist

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mein Sinnen den ganzen Tag" (Psalm 119,97). Wie kann das sein? Es kann wohl nur so erklärt werden, daß das Gesetz Wort Gottes ist; und weil Gott selbst das Wort ist, ist es Geist und Leben für den, der es annimmt.

Rückkehr zur Zeit der Gerstenernte Ruth 1,16-22

Ruths Liebe zu Noomi ist hier gleichbedeutend mit ihrer Liebe zu Gott und Seinem Wort. Auch der Überrest Judas wird einmal solche Liebe zu Gott und Seinem Wort haben -dann nämlich, wenn Gott die Gesetze in ihren Sinn gegeben und sie auf ihre Herzen geschrieben haben wird (Hebr. 8,10). Dann wird Juda seine Liebe zum Herrn Jesus Christus mit ähnlichen Worten zum Ausdruck bringen.

Setzt man für den Namen "Noomi" den Begriff "Wort Gottes" ein, wird erkennbar, wonach Ruth sich ausstreckt, wenn sie mit Noomi gehen will. Der Wortlaut sähe dann so aus: 'Dringe nicht in mich, das Wort Gottes zu verlassen, hinter ihm weg umzukehren; denn wohin das Wort Gottes geht, will ich gehen, und wo das Wort Gottes weilt, will ich weilen; das Volk des Wortes Gottes ist mein Volk, und sein Gott ist mein Gott; wo das Wort Gottes stirbt, will ich sterben, und daselbst will ich begraben werden. So soll mir Jehova tun und so hinzufügen, nur der Tod soll scheiden zwischen mir und dem Worte Gottes!' Ist dieses Maß an Liebe zu groß? Ruth liebte, und Gott hat sie reich dafür belohnt. Als Noomi sah, daß Ruth fest darauf bestand, mit ihr zu gehen, da ließ sie ab, ihr zuzureden. So kamen beide nach Bethlehem zu Beginn der Gerstenernte (Ruth 1,22). Es war kein Zufall, daß Ruth und Noomi zu Anfang der Gerstenernte nach Bethlehem kamen. In der prophetischen Aussage bedeutet Erntezeit die Vollendung des Zeitalters (Matth. 13,39). Es ist die

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Zeit, in der Gott sich erneut Seinem Volk zuwenden wird. Die Gerstenernte liegt zeitlich vor der Weizenernte. Gerste ist ein minderwertiges Korn. Wenn Gott sich Seines Volkes annimmt, muß alles Minderwertige, alle Unzulänglichkeit vor Ihm offenbar und geordnet werden. Bemerkenswert ist, daß das Gerstenmehl nur für ein einziges Opfer verwendet wurde, nämlich für das Speisopfer der Eifersucht.

Das Speisopfer der Eifersucht 4. Mose 5,11-28

Gerstenmehl wurde genommen für ein Speisopfer des Gedächtnisses, welches Ungerechtigkeit ins Gedächtnis bringt (Vers 15). Wenn über einen Mann der Geist der Eifersucht kam, sollte er mit seinem Weib zum Priester gehen. Mittels des Speisopfers der Eifersucht sollte geklärt werden, ob er einen Grund zur Eifersucht habe oder nicht.

Hatte Israel Gott einen Anlaß zur Eifersucht gegeben? Ganz gewiß (Jer. 3,14). Gott nimmt in diesem Eifersuchtsopfer Bezug auf sich und Israel. Er zeigt, daß ihre Untreue nicht verborgen bleibt, auch dann nicht, wenn es im geheimen geschieht. Darum findet das Opfer der Eifersucht nur auf die Frau Anwendung und nicht auf den Mann. Darum muß allein das Weib das fluchbringende Wasser trinken und nicht der Mann. Bei dem Opfer der Eifersucht geht es nur um die Hurerei Israels gegen Gott. Dabei ist Gott der Mann und Israel das Weib.

Den Bund, den Gott mit Israel gemacht hatte, vergleicht Er mit einem Eheverhältnis. Diesen Bund hatte Israel gebrochen (Jer. 31,32). Israel reizte Gott zur Eifersucht durch fremde Götter (5. Mose 32,16), so daß Er sagen mußte: "Sie haben mich zur Eifersucht gereizt durch Nicht-Götter"

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(5. Mose 32,21). Sie reizten Ihn zur Eifersucht durch ihre Sünden (l.Kön. 14,22). Und nicht zuletzt zeigen die Kapitel 2 und 3 im Propheten Jeremia schonungslos die Untreue Israels auf. Wie sehr litt Gott darunter! Und leiden kann nur der, der liebt. Um diese Untreue und Ungerechtigkeit vor Gott ins Gedächtnis zu bringen, sollte das Opfer der Eifersucht dargebracht werden.

Für das Speisopfer der Eifersucht sollte der Priester Gerstenmehl verwenden. Das Speisopfer stellt den Wandel eines Menschen dar, wobei das gräulich aussehende Gerstenmehl bereits erkennen läßt, daß hier kein reiner Wandel vorlag. Weizenmehl hingegen ist weiß. Der Herr Jesus vergleicht sich mit dem Weizenkorn, Sein Wandel war rein. Der Priester sollte kein Ol auf die Opfergabe gießen, heißt es weiter. Der Wandel, der hier ins Licht gestellt werden sollte, war kein Wandel im Geist. Kein Weihrauch sollte darauf gelegt werden, da der Wandel kein Wohlgeruch war für den lebendigen Gott. Es war ein Leben ohne Gebetserhörungen. So sieht Gott Sein Volk Israel: in einem Wandel der Untreue, der kein Wohlgeruch für Ihn ist, nicht unter der Leitung des Geistes Gottes. Das alles, weil sie Ihn und Seinen Sohn, Jesus Christus, verworfen haben.

Das Weib mußte mit unbedecktem Haupt vor den Priester treten, d.h. bloßgestellt, ohne daß der Mann, als das Haupt des Weibes, ihr Schutz bot. Bloßgestellt aber war sie auch vor Gott, weil der Mann nach 1. Kor. 11,7 "Gottes Bild und Herrlichkeit ist". Auf ihren Händen lag das Speisopfer der Eifersucht, sie war eins gemacht mit der Anklage der Untreue. Kann Israel, kann Juda so vor Gott bestehen? Ihre Ungerechtigkeit kommt ins Gedächtnis Gottes. Der Priester mußte heiliges Wasser nehmen und Staub vom Boden hineingeben. Dieses fluchbringende Wasser der Bitterkeit mußte das Weib nun trinken. Das Wasser ist das Wort Gottes. Wenn das Weib Untreue begangen hat, sagt das Wort Gottes ihr, daß sie zu Staub werden, das heißt sterben wird. Mit

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einem Schwur des Fluches mußte der Priester sie beschwören. Inmitten ihres Volkes sollte sie zu einem Fluche werden, indem Jehova ihre Hüften schwinden und ihren Bauch schwellen lassen würde. Das sagt aus: Sie würde schwanger gehen mit einer Scheinfrucht, schwanger mit dem fluchbringenden Wasser der Bitterkeit. Alle ihre Mühsal wäre umsonst. Juda bestätigt, daß ihnen das widerfahren ist. "Wie eine Schwangere, die, dem Gebären nahe, sich windet und schreit in ihren Wehen: also sind wir gewesen, Jehova, fern von deinem Angesicht. Wir gingen schwanger, wir wanden uns; es war, als ob wir Wind geboren hätten" (Jes. 26,17.18). Wenn sie sich aber nicht verunreinigt hatte, würde ihr das bittere, fluchbringende Wasser nichts anhaben können.

Wie hatte Noomi gesagt? "Nennet mich nicht Noomi (Huldvolle, Liebliche), nennet mich Mara (Bittere, Betrübte); denn der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht." Alles, was in diesem Speisopfer der Eifersucht gesagt wird, ist über das Volk Israel gekommen. Die Schrift und die jüngere Geschichte beweisen es. Deshalb das Wort aus Jesaja 1,9: "Wenn Jehova der Heerscharen uns nicht einen gar kleinen Überrest gelassen hätte, wie Sodom wären wir, Gomorra gleich geworden."

Boas und Ruth auf dem Feld Ruth 2,1-23

Die große Wende kam mit Boas. Boas ist ein herrliches Schattenbild auf den Herrn Jesus Christus, den verheißenen Messias für Israel."

Und Noomi hatte einen Verwandten ihres Mannes, einen vermögenden Mann, aus dem Geschlecht Elimelechs, und

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sein Name war Boas" (Ruth 2,1). Boas heißt "In ihm ist Stärke", d.h. in Boas selbst. Sein Wesen, Handeln und Leben weist gewaltige Parallelen auf zu Jesus Christus als dem Erlöser. Nur in dem Herrn Jesus ist die Kraft, zu erretten und zu erlösen. Boas war ein vermögender Mann. Paulus sagt im Römerbrief: "Denn derselbe Herr von allen ist reich für alle" (Rom. 10,12), und Johannes bezeugt: "Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade" (Joh. 1,16).

Boas war aus dem Geschlecht Elimelechs. Sie hatten also verwandtschaftliche Beziehungen, denselben Gott, an den sie glaubten; gleiche Voraussetzungen, gleiche Bedingungen und doch so unterschiedliche Glaubenshaltungen. Boas, gleich Mose, klagte nie über Mangel während der Hungersnot. Er stellte sich mit unter die Schuld des Volkes, obwohl er selbst keinen Anlaß für das Gericht Gottes gegeben hatte. Nicht müßig, kannte er auch keinen Mangel. Im Alten Bund waren Wohlhabenheit und Stärke Ausdruck göttlichen Segens.

Gott gebrauchte Boas, um das Vertrauen, das Ruth in den Gott Israels gesetzt hatte, mit Güte zu belohnen (Ps. 32,10). Ihre erste Begegnung fand auf dem Felde statt, auf dem man gerade erntete. Ruth selbst wird hier zu einer Frucht der Ernte für Boas. "Laß mich doch aufs Feld gehen und unter den Ähren lesen hinter dem her, in dessen Augen ich Gnade finden werde", hatte Ruth vor ihrer ersten Begegnung zu Noomi gesagt (Ruth 2,2). In wessen Augen würde sie Gnade finden, um ihren Hunger zu stillen? Es gibt nur eine Eigenschaft, die das Herz Gottes für die Gnade öffnet, das ist die Demut (Jak. 4,6). Deswegen redet der Herr Jesus zu Seinen Jüngern: "Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig." Demut ist auch die einzige Voraussetzung, um Ruhe für die Seele zu finden (Matth. 11,29).

Ruth traf zufällig das Feld des Boas. Was dem Menschen als Zufall erscheint, ist bei Gott eine klare Führung. Ruth fand

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Gnade auf dem Feld des Boas, weil seine Knechte in seinem Auftrag dienten. Zu dem Zeitpunkt, als Ruth anfragte, war Boas nicht anwesend. Boas hätte eine Bitte wie die der Ruth nie abgeschlagen. Warum nicht? Weil er in allem tat, was Gottes Wort lehrte. "Und der Fremdling und die Waise und die Witwe, die in deinen Toren sind, sollen kommen und essen und sich sättigen; auf daß Jehova, dein Gott, dich segne in allem Werke deiner Hand, das du tust" (5. Mose 14,29).

Ruth war Fremdling Ruth 2,10.11

Ruth war Witwe Ruth 2,11

Ruth war Waise Ruth 2,11

So war ihr vom Herrn her ein Platz auf dem Feld gesichert. In 5. Mose 24,19 steht: "Wenn du deine Ernte auf deinem Felde hältst und eine Garbe auf dem Felde vergissest, so sollst du nicht umkehren, um sie zu holen: für den Fremdling, für die Waise und für die Witwe soll sie sein, auf daß Jehova, dein Gott, dich segne in allem Werke deiner Hände." Von sich aus hätten die Menschen nicht an eine Versorgung des Fremdlings, der Witwen und der Waisen gedacht. Sonst hätte Gott hier nicht ein Gebot gegeben. Ruth erfüllte in allen Punkten die Voraussetzungen für die Erbarmungen Gottes.

Warum gebot Gott, solches zu tun? Er sagt: "Und du sollst gedenken, daß du ein Knecht im Lande Ägypten gewesen bist; darum gebiete ich dir, solches zu tun" (5. Mose 24,22). Sie sollten ihre eigene Vergangenheit nicht vergessen. Und wie schlimm war es ihnen in Ägypten ergangen, aber auch in der jüngeren Geschichte! Sie sind heute noch Fremdling, Witwe und Waise.

1. Fremdling

5. Mose 30,3: "Und er wird dich wiederum sammeln aus all den Völkern, wohin Jehova, dein Gott, dich zerstreut hat."

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2. Witwe

Jes. 54,4: "Du wirst … der Schande deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken."

3. Waise

Jes. 51,2: "Blicket hin auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch geboren hat." In Joh. 8,39 sprechen die Juden zu dem Herrn Jesus: "Abraham ist unser Vater." Der Herr antwortet ihnen: "Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun." Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Sie glaubten nicht, deswegen waren sie ohne Vater. In bezug auf die Mutter heißt es: "Sara, die euch geboren hat." Da sie aber den Glauben nicht erbrachten, konnten sie nicht in die Verheißungen eintreten. Darum war Sara, das Jerusalem droben, auch nicht ihre Mutter (Gal. 4,26).

Waise ist der Stamm Juda aber auch in bezug auf Gott, seinen Vater. In Joh. 8,42 sagt der Herr zu den Juden: "Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben." Gott ist nur denen Vater, die Jesus Christus lieben. Und Jesus lieben können nur solche, die Ihn als ihren Retter und Erlöser in ihr Herz aufgenommen haben. Zu diesem entscheidenden Punkt sagt Israel heute ein klares "NEIN"!

Und doch wird der lebendige Gott sich in Jesus Christus neu Seinem Volk zuwenden. Er sieht in der Person der Ruth schon voraus, daß es eine Umkehr im Leben dieses Volkes geben wird. Darum ist in Ruth die neue Herzenshaltung Judas zu sehen (Hes. 36,26.27) – sanftmütig und von Herzen demütig. Juda wird dann nicht mehr in fordernder Haltung vor Gott treten, und zwar dann, wenn sie den Herrn Jesus einmal als den Erhalter ihres Lebens erkannt haben werden.

Ein anschauliches Beispiel, wie sich die Sinnesänderung vollziehen wird, gibt die Joseph-Geschichte im ersten Buch Mose. Die von Joseph angekündigte Hungersnot lastete

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schwer auf dem Volk (1. Mose 41,55). Das Volk schrie zum Pharao um Brot, doch er sagte: "Gehet zu Joseph!", denn Joseph war als Gebieter eingesetzt. Das Volk suchte Brot, wo es gewohnt war, seinen Hunger zu stillen. Dort jedoch fand es nichts mehr. Es gab kein Brot mehr im ganzen Land, "denn die Hungersnot war sehr schwer; und das Land Ägypten und das Land Kanaan verschmachteten vor Hunger. Und Joseph brachte alles Geld zusammen, das sich im Lande Ägypten und im Lande Kanaan vorfand, für das Getreide, das man kaufte" (1. Mose 47,13.14).

Als kein Geld mehr da war, waren die Ägypter gezwungen, wieder vor Joseph zu erscheinen. Ihr Auftreten vor ihm läßt ihren ganzen Unmut darüber erkennen. Uberaus fordernd treten sie an ihn heran: "Gib uns Brot! warum sollen wir denn vor dir sterben"(l. Mose 47,15)? Diese Rede wirkt sehr anmaßend und erweckt den Eindruck, als sei Joseph für ihre mißliche Lage verantwortlich. Mit dem Geld war ihnen zwar eine große Stütze genommen, doch meinten sie immer noch, sich ein herrisches Auftreten erlauben zu können. "Gebet euer Vieh her, … wenn das Geld zu Ende ist", entgegnete Joseph (Vers 16). Vers 17: "Da brachten sie ihr Vieh zu Joseph, und Joseph gab ihnen Brot um die Pferde und um das Kleinvieh und um das Rindvieh und um die Esel; und so ernährte er sie mit Brot um all ihr Vieh in selbigem Jahre."

In den Versen 18 und 19 ist nun erkennbar, daß eine deutliche Veränderung in ihnen vorgegangen ist. "Als selbiges Jahr zu Ende war, da kamen sie im zweiten Jahre zu ihm und sprachen zu ihm: Wir wollen es meinem Herrn nicht verhehlen, daß, da das Geld ausgegangen ist und der Besitz des Viehes an meinen Herrn gekommen, nichts mehr übrigbleibt vor meinem Herrn, als nur unser Leib und unser Land … Kaufe uns und unser Land um Brot." In einem Atemzug nennen sie Joseph dreimal "mein Herr". Nichts ist mehr von der fordernden Haltung Joseph gegenüber zu erkennen. Erst als der weise Gott ihnen jede Stütze genom-

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men hatte, lieferten die Ägypter sich Joseph bedingungs-und vorbehaltlos aus. Gott hatte Sein Ziel mit ihnen erreicht. Sie erkannten in Joseph den Erhalter ihres Lebens.

Joseph ist ein Schattenbild auf den Herrn Jesus. Und die Absicht, die der Herr mit den Menschen, aber auch mit Seinem Volk Israel hat, ist, daß Sein Sohn Jesus Christus als Erhalter aller Menschen erkannt werde. Dazu muß Gott aus dem Leben der Menschen jede Stütze und vermeintliche Sicherheit wegnehmen.

In Vers 25 geben sie ihm das herrliche Zeugnis: "Du hast uns am Leben erhalten; möchten wir Gnade finden in den Augen meines Herrn." Handelt der Gott des Himmels und der Erde mit dem Volk Israel anders? Erst wenn alle ihre Sicherheiten von ihnen genommen werden und sie sich auf nichts mehr stützen können als allein auf ihren Gott werden sie demütig werden, umkehren und sich Ihm als Knechte zuwenden. Dann wird der Herr sie annehmen und ihnen Güte erweisen. Weil Er sie je und je geliebt hat, geht Er mit ihnen diesen Weg.

Auffallend ist die Güte und Barmherzigkeit, mit der Boas Ruth begegnet. Er redet zu ihrem Herzen, tröstet sie und gibt ihr zu essen. Nicht mit einem einzigen Wort erwähnt er ihre Vergangenheit. Dies ist für ihn bei ihrer ersten Begegnung nicht maßgebend. Boas sieht den Neuanfang, den Ruth in ihrem Leben gemacht hat. "Es ist mir alles wohl berichtet worden, was du an deiner Schwiegermutter getan hast nach dem Tode deines Mannes, indem du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Geburt verlassen hast und zu einem Volke gezogen bist, das du früher nicht kanntest" (Ruth 2,11). Er sieht ihre Bemühungen, ihren Fleiß, so wie es ihm von dem Knecht, der über die Schnitter bestellt war, mitgeteilt wurde. Er erkennt die Echtheit ihrer Umkehr von den Götzen zu Jehova, dem Gott Israels, unter dessen Flügeln Zuflucht zu suchen sie gekommen war (Ruth 2,12).

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Da gießt er – bildlich gesprochen – Ol und Wein auf ihre von der Sünde geschlagenen Wunden. So lehrt es der Herr Jesus im Neuen Testament: "Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer, denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder" (Matth. 9,13). Ein Sünder hat sich bekehrt! Würde es Ruth geholfen haben, wenn Boas in den Wunden der Sünde gegraben hätte? So aber öffnet sich ihr Herz, um sich dem Gott Israels zu Füßen zu werfen. Sie selbst stellt sich ins Licht, indem sie sagt: "Möge ich Gnade finden in deinen Augen, mein Herr! denn du hast mich getröstet und hast zum Herzen deiner Magd geredet, und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde" (Ruth 2,13). Um Seines heiligen Namens willen wird der Herr auch Seinem Volk so begegnen.

In Ruth 2,8 ermahnt Boas Ruth: "Hörst du, meine Tochter? gehe nicht, um auf einem anderen Felde aufzulesen, und gehe auch nicht von hinnen." Boas will Ruth bei sich behalten, und das geht nur, wenn Ruth auf seinem Feld bleibt.

Hierzu eine Parallele aus dem Leben Naamans, des Heerobersten des Königs von Syrien: Naaman war aussätzig, wobei Aussatz ein Bild auf die Sünde ist. Naaman kam zu Elisa, dem Propheten, von dem er erfahren hatte, daß er durch die Kraft Gottes helfen könne. Elisa gab ihm den Auftrag, sich siebenmal im Jordan zu baden. Das erschien Naaman zu gering. Er ergrimmte sehr und sagte: "Sind nicht Abana und Parpar, die Flüsse von Damaskus, besser als alle Wasser von Israel? Kann ich mich nicht darin baden und rein werden?" (2. Kön. 5,12). Das Wasser ist ein Bild auf die Lehre des Wortes Gottes (Eph. 5,26). Es mag sein, daß es viele gute Lehren in Damaskus gab. Aber keine von ihnen vermochte Naaman vom Aussatz seiner Sünde zu reinigen. Heilende und reinigende Kraft hat allein die Lehre des Wortes Gottes. So ist das Brot des Lebens nur auf dem Feld zu finden, wo der Herr Jesus ist, und Rettung der Menschen gibt es nur nach der Lehre Seines Wortes.

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Ruths Leben war nur sicher auf dem Felde, das Boas gehörte. Auch Noomi befürchtete Schlimmes, wenn sie auf einem anderen Feld auflesen würde. "Es ist gut, meine Tochter, daß du mit seinen Mägden ausgehst, daß man dich nicht anfalle auf einem anderen Felde" (Ruth 2,22). Warum? Es darf nicht vergessen werden, daß das Buch Ruth auf das Gericht hinweist, das über Israel verhängt wurde und in der 70. Jahrwoche ausgeführt wird. "Auch über dich, Juda", sagt Gott, "ist eine Ernte verhängt, wenn ich die Gefangenschaft meines Volkes wenden werde" (Hosea 6,11).

Bevor Juda in die Segnungen des 1000-Jahrreichs eingehen kann, muß durch Gericht die Übertretung des Volkes zum Abschluß gebracht und den Sünden ein Ende gemacht werden; die Ungerechtigkeit muß gesühnt werden, damit eine ewige Gerechtigkeit eingeführt werden kann (Dan. 9,24). Darum wird diese erste Begegnung eingerahmt von vielen Hinweisen auf diese Gerichtszeit.

1. Ruth muß auf dem Feld des Boas bleiben. Das heißt, daß außerhalb der Beziehung zu Jesus Christus auch in der 70. Jahrwoche keine Rettung möglich ist (Ruth 2,22).

2. Die Ernte ist nach Matth. 13,39 die Vollendung des Zeitalters. Die Schnitter sind Engel. Auch die Schnitter im Buch Ruth, die Knechte des Boas, sind hier ein Bild für die Engel.

3. Boas gebot den Knaben, Ruth nicht anzutasten (Ruth 2,9) und sie nicht zu schelten (Ruth 2,16). Ebenso haben im Gleichnis von Matth. 13,41.42 die Engel nur den Auftrag, die Ärgernisse zusammenzulesen und die Gesetzlosen in den Feuerofen zu werfen. Ruth ist kein Ärgernis mehr. Sie hat ja unter den Flügeln Jehovas, des Gottes Israels, Zuflucht gesucht. Von solchen heißt es in dem Gleichnis: "Dann werden

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die Gerechten leuchten." Ruth bleibt verschont, Boas hat es ihr zugesichert.

4. Ruth wird aufgefordert, Gerstenbrot zu essen und ihren Bissen in Essig zu tunken. Das war kein Grund zur Freude, wie sie zum Ausdruck käme, hätte man ihr zum Essen Wein gereicht. Da gab es keinen Grund zum Jauchzen, wenn Boas der Ruth geröstete Körner aus Gerste darreichte.

Aber fiel es dem Herrn Jesus leicht, als Er wegen der Untreue Israels, wegen der Sünden der ganzen Welt, am Kreuz hing? Gaben sie Ihm nicht auch Essig zu trinken (Matth. 27,48)? Für den, der Sünde nicht kannte, war es sehr bitter und nicht zum Jauchzen, als Er für uns zur Sünde gemacht wurde. Er mußte sich nicht nur zu den Sünden, die Er selber nicht begangen hatte, bekennen, sondern, wie der Schreiber des Hebräerbriefes mitteilt, Er hat als ein barmherziger und treuer Hoherpriester die Sünden des Volkes selbst gesühnt (Hebr. 2,17).

Gerste, so wird es ja im Speisopfer der Eifersucht gesagt, bringt die Ungerechtigkeit ins Gedächtnis Gottes. Deshalb wird hier mitgeteilt, daß Ruth sich zum Essen an die Seite der Schnitter setzt (Ruth 2,14). Boas hätte sie ja auch an seiner Seite Platz nehmen lassen können. In der Zeit der Sühnung der Sünden Judas ist ihr Platz nicht an der Seite des Herrn, sondern an der Seite derer, die den Auftrag haben, das Gericht auszuüben. Juda wird seine Schuld erkennen und sich dazu stellen.

5. Ruth gibt auch ihrer Schwiegermutter von der Gerste zu essen. Die Schuldfrage betrifft nicht nur den Uberrest, der gerettet wird, sondern alle, die aus dem Gesetz kommen.

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6. Ruth blieb "vom Morgen an bis jetzt" (Ruth 2,7) und "bis zum Abend" (Vers 17), also einen ganzen Tag. Vom Tag des Gerichts spricht Sach. 14,7: "Und es wird ein einziger Tag sein, (er ist Jehova bekannt)." Dieser Tag des Gerichts dauert sieben Jahre.

7. "Und so hielt sie sich zu den Mägden des Boas, um aufzulesen, bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendigt waren" (Ruth 2,23). In der Gerstenernte werden die Ungerechtigkeiten gerichtet. In der Weizenernte werden die Gerechten errettet, weil sie Sündenvergebung erlangt haben. "Den Weizen aber sammelt in meine Scheune" (Matth. 13,30).

die verheißene ruhe Ruth 3,1

"Und Noomi, ihre Schwiegermutter, sprach zu ihr: Meine Tochter, sollte ich dir nicht Ruhe suchen, daß es dir wohl gehe?" Eine Zeit der Ruhe, verbunden mit Frieden, ist dem Volke Gottes verheißen. In Hebr. 4,8.9 heißt es: "Denn wenn Josua sie in die Ruhe gebracht hätte, so würde er (Gott) danach nicht von einem anderen Tage geredet haben. Also bleibt noch eine Sabbathruhe dem Volke Gottes aufbewahrt." Von dieser Sabbathruhe redet auch Hebr. 4,10: "Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt von seinen Werken, gleichwie Gott von seinen eigenen."

Mose beschreibt die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz ist, so: "Der Mensch, der diese Dinge getan hat, wird durch sie leben" (Rom. 10,5). Und Gal. 3,12 sagt: "Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben, sondern: Wer diese Dinge getan hat, wird durch sie leben." Das also ist Werk! Darum sagt Noomi, die

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ein Bild auf das Gesetz ist, nicht, daß sie für sich eine Ruhe suchen will, sondern für Ruth – als Schattenbild auf den Überrest Israels. Hier ist die Ruhe von den Gesetzeswerken angesprochen.

Der Sabbath hat seinen Ausgangspunkt in 1. Mose 2,2.3: "Und Gott hatte am siebenten Tage sein Werk vollendet, das er gemacht hatte; und er ruhte am siebenten Tage von all seinem Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn." Dieser siebente Tag war Gottes Sabbath, es war Seine Ruhe. Der siebente Tag im hebräischen Kalender war der Sabbath. Darum sollte das Volk nach 2. Mose 34,21 sechs Tage arbeiten und am siebenten Tag ruhen. Petrus sagt in seinem zweiten Brief, Kap. 3,8: "Dies eine aber sei euch nicht verborgen, Geliebte, daß ein Tag bei dem Herrn ist wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag." Auf die einzelnen Zeitabschnitte, in denen Gott Sein Werk an den Menschen vollzieht, entfallen in etwa:

2000 Jahre auf die Zeit von Adam und Eva bis

Noah, ohne Gesetz 2000 Jahre auf die Zeit von Abraham bis Christus,

unter Gesetz

2000 Jahre auf die Zeit von Christus bis zur Heim-

holung der Gemeinde

6000 Jahre

Die noch ausstehenden 1000 Jahre entsprechen der verheißenen Sabbathruhe (Hebr. 4,9). Mit dem Gebot, am siebenten Tag zu ruhen, wollte der Herr Sein Volk auf die kommende Sabbathruhe hinweisen. Die Sabbathruhe deutet also auf das siebente Jahrtausend der Menschheitsgeschichte hin. (Näheres über die Sabbathruhe siehe "Die Opferungen" von W. Bergmann, Verlag ICP, Frankfurt 1988).

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Einen Propheten gleich Mose wollte Gott Seinem Volk aus ihrer Mitte erwecken (5. Mose 18,15). So wie Mose das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens in das Land Kanaan geführt hatte, so sollte Christus sie aus der Knechtschaft des Gesetzes in die Freiheit des Christus führen (Apg. 7,37ff). Der Schreiber des Hebräerbriefes beurteilt das Verhalten des Volkes mit den Worten: "Aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben vermischt war." Der Überrest Israels – Juda – wird nun empfangen, was denen verschlossen blieb, die wegen ihres Ungehorsams nicht eingehen konnten (Hebr. 4,2-6).

In diese Zeit der Entscheidung spricht das Wort die Aufforderung: "Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht" (Hebr. 4,7). Ruth hat kein steinernes Herz. Der Herr hat ihr ein fleischernes Herz gegeben (Hes. 36,26). Der Überrest Israels wird einmal sagen: "Christus hat uns losgekauft von dem Fluche des Gesetzes" (Gal. 3,13).

Die Tenne, Ort der Reinigung Ruth 3,2-4

"Und nun, ist nicht Boas, bei dessen Mägden du gewesen bist, unser Verwandter? Siehe, er worfelt diese Nacht auf der Gerstentenne." Der Weg, den das Wort Gottes dem Überrest Judas weist, um in Seine Ruhe einzugehen, führt auf die Gerstentenne.

Die Mägde. Auf dem Weg zur Ruhe nimmt Noomi noch einmal Bezug auf die Mägde, zu denen Ruth sich gehalten hatte. Sie werden in dieses Geschehen mit einbezogen. Auch Boas hatte ausdrücklich gesagt: "Halte dich hier zu meinen Mägden. Deine Augen seien auf das Feld gerichtet, welches

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man schneidet" (Verse 8 und 9). Ruth sollte gleich den Mägden Ähren auflesen. Damit stehen Ruth und die Mägde in gleicher Beziehung zur Gerste. Wenn bei Ruth das Sammeln der Ähren und das Essen der Körner in Verbindung mit den Ungerechtigkeiten steht, die in das Gedächtnis Gottes kommen, so gilt das auch für die Mägde. Die Mägde stehen hier für die Nationen (nicht für die Gemeinde!). In der Zeit des Weltgerichts müssen auch sie Rechenschaft über ihr Leben ablegen (Matth. 25,31-46).

Wenn Ruth in Kap. 2,13 sagt: "Und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde", drückt sie mit diesen Worten aus, was der Überrest Judas erkennen wird: Wie tief sind wir gesunken; wir haben es ärger getrieben als die Nationen, die nicht das irdisch auserwählte Volk sind (Hes. 23,11). Ähnlich betrübt muß Paulus in Korinth feststellen, daß Glieder der Gemeinde Jesu in Sünden gefallen sind, die selbst unter den Nationen nicht vorkommen (1. Kor. 5,1).

Boas sagt zu den Schnittern: "Und auch sollt ihr selbst aus den Bündeln Ähren für sie herausziehen und sie liegen lassen, damit sie sie auflese" (Ruth 2,16). Das bedeutet, daß der Herr den Überrest Judas in weit größerer Verantwortung für ihr verkehrtes Handeln sieht als die Nationen. Denn Juda waren die Zusagen und Verheißungen gegeben.

Natürlich stehen die Zuwendungen seitens Boas', sein Erbarmen, seine Güte und Gnade im Vordergrund. So soll Ruth, so soll der Überrest Judas es auch erkennen. Und so hat Paulus es auch verstanden, wenn er von der überströmenden Gnade spricht (Rom. 5,20). Aber die Güte, die hier so wohltut, darf uns die Hintergründe nicht vergessen lassen. Wenn diese erkannt werden, erscheint die Gnade umso größer. Dann werden auch Ruths Liebe und die Art ihrer Hinwendung zu Boas noch bedeutungsvoller. So werden auch die Mägde des Boas in die Weizenernte mit einbezogen (Ruth 2,23). Ruth hielt sich zu ihnen, bis die Gerstenernte

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und die Weizenernte beendet waren. Und wenn die Ernte beendet sein wird, werden die Nationen dem Volk Israel gegenüber den Platz einnehmen, den dieses in der Zeit seiner Gottesferne innehatte, als sie den Nationen dienten. Das prophetische Wort offenbart solches: "Denn Jehova wird sich Jakobs erbarmen und Israel noch erwählen, und wird sie in ihr Land einsetzen. Und der Fremdling wird sich ihnen anschließen, und sie werden sich dem Hause Jakob zugesellen. Und die Völker werden sie nehmen und sie an ihren Ort bringen; und das Haus Israel wird sich dieselben zu Knechten und zu Mägden zueignen im Lande Jehovas" (Jes. 14,1.2; ebenso Sach. 14,16-18).

"Er worfelt diese Nacht auf der Gerstentenne." Der Herr Jesus sagt in Joh. 9,4: "Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann." Die Nacht ist die Zeit, in der das Gericht am Sohne Gottes vollzogen wurde, aber auch die Zeit, in der das Gericht des Christus die Menschen erbeben lassen wird. Die Bibel spricht auch vom Tag des Zornes Gottes. Dann wird der Herr Jesus, von dem Johannes der Täufer sagt: "Der nach mir Kommende aber ist stärker als ich", den Erdkreis richten. Johannes erkennt weiter: "Dessen Sandalen zu tragen ich nicht würdig bin;… dessen Worfschaufel in seiner Hand ist, und er wird seine Tenne durch und durch reinigen und seinen Weizen in die Scheune sammeln; die Spreu aber wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer" (Matth. 3,11-12). Wenn schon Johannes, von dem der Herr bezeugt: "Unter den von Weibern geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer", sich nicht für würdig hielt, die Sandalen dessen zu tragen, der das Gericht ausübt, welcher andere Mensch sollte dann würdig sein? Gefunden wurde niemand, weder im Himmel noch auf der Erde, noch unter der Erde, als nur der Löwe, der aus dem Stamme Juda ist – Christus (Offenb. 5,1-10). "Der Herr wird sein Volk richten" und "Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!" (Hebr. 10,30-31). Das war auch der Grund, warum Noomi zu Ruth sagte: "Laß dich nicht von

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dem Manne bemerken, bis er fertig ist mit Essen und Trinken" (Ruth 3,3). Ruth sollte mit der Spreu nicht in Berührung kommen. Der Überrest Israels kommt zwar ins Gericht, aber er kommt darin nicht um. Sie werden geläutert werden und sich bereiten, dem himmlischen Boas zu begegnen.

1. Das Wort lehrt sie: Bade dich!

Sauber und rein sollte Ruth vor Boas erscheinen. Reinigung erfährt dann auch Juda. "Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinigkeiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen" (Hes. 36,25). "Gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, auf daß er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort" (Eph. 5,25.26). Hier auf der Tenne wird der Augenblick sein, wenn Juda bitterlich Leid trägt, daß sie es waren, die ihren Messias verworfen haben. Mittels des Geistes der Gnade, den Gott über sie ausgießt, werden sie dieses erfassen (Sach. 12,10). Zu diesem Zeitpunkt wird es zu einer Wiedergeburt des Volkes der Juden kommen (Matth. 19,28).

2. Das Wort lehrt sie: Salbe dich!

Hier kommt die Verheißung des Propheten Joel zur Erfüllung (Joel 2,28.29). "Und danach wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch … Und selbst über die Knechte und über die Mägde werde ich meinen Geist ausgießen in jenen Tagen." Dann wird Juda nicht mehr erstaunt sagen: "Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden?" Dann werden sie sich nicht mehr entsetzen, nicht mehr über eine Ausgießung des Geistes in Verlegenheit geraten und nicht mehr sagen: "Was mag dies wohl sein?" Niemand wird seine Zunge spitzen und spotten: "Sie sind voll süßen Weines" (Apg. 2,11-13). Sie selbst werden diese Erfahrung machen. Juda wird sich völlig unter die Leitung des Geistes stellen. Auch in Jes. 44,3 und

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Hes. 36,26 wird von der kommenden Ausgießung des Geistes gesprochen.

Wenn Ruth hier aufgefordert wird, sich zu baden, zu salben und ihre Kleider anzulegen, so wird von der Bereitschaft Judas gesprochen, dies in allem an sich vollziehen zu lassen. Der Herr Jesus wird es an ihnen bewirken. Sie selbst können sich keine Wiedergeburt machen. Aber durch Buße und Hinwendung zum Herrn kann der Herr ihnen die Errettung schenken. Durch die Salbung werden sie zum Dienst befähigt, in den sie schon zur Gesetzeszeit gestellt waren, den sie wegen ihrer Untreue aber nicht mehr ausüben konnten.

2.1. Die Priester – "Aaron und seine Söhne sollst du salben, … um mir den Priesterdienst auszuüben" (2. Mose 30,30).

2.2. Die Könige – "und sie salbten David zum König über Israel" (2. Sam. 5,3). Sowohl das Priestertum (Jes. 61,6) als auch das Königtum wird Israel im Tausendjährigen Reich innehaben. Das Königtum war ihnen schon im Segen Jakobs verheißen. "Nicht weichen wird das Szepter von Juda, noch der Herrscherstab zwischen seinen Füßen hinweg" (1. Mose 49,10). David erhält die Bestätigung seines Königtums in 2. Sam. 7,16: " Und dein Haus und dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig."

In Christus, dem Sohne Davids, wird dies erfüllt in den 1000 Jahren des Friedens. Jes. 32,1: "Siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit." Auch das Priestertum wird ihnen in Jesus Christus gegeben: "Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks" (Hebr. 5,6).

3. Das Wort lehrt sie: Lege deine Kleider an!

Gemeint sind Feierkleider. Ruth legt diese Kleider an, weil sie Boas gefallen möchte. Für ihn will sie sich schön machen. Der Herr wird Juda die schmutzigen Kleider ausziehen und sie in Feierkleider kleiden. Dann sind die Unge-

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rechtigkeiten weggenommen (Sach.3,4). Nur in diesen Kleidern der Gerechtigkeit werden sie dem himmlischen Boas gefallen und schön vor ihm erscheinen können.

Vier Kleider, von denen die Schrift spricht

(Aus "Die zehn Gleichnisse vom Reich der Himmel" von W. Bergmann)

Das 1. Kleid der Menschen trugen Adam und Eva im Zustand der Selbsterrettung und Selbsterlösung (Philosophie) in Form von Schürzen aus Feigenblättern (1. Mose 3,7). Vor Gott hatte dieses Kleid keinen Bestand, weshalb Er zu Hilfe kam und eine bessere Bekleidung schenkte. Ohne Hinzutun des Sünders sollte dieses Kleid angetan werden.

Das 2. Kleid der Menschen trugen Adam und Eva als von Gott erhalten. Es waren Röcke von Fellen, die Gott gemacht hatte. In diesen Fellen müssen Tiere gelebt haben, die getötet worden waren (1. Mose 3,21). Hier ist eine starke Hindeutung auf ein stellvertretendes geschlachtetes Lamm. Zielgesetzt erkennen wir darin einen Vorlauf auf Jesus Christus, der stellvertretend Sein Leben ließ als Lamm zur Sühnung für unsere Sünden.

Das 3. Kleid der Menschen finden wir nur noch unter jenen, die in Verbindung mit Gott und im Glaubensgehorsam einhergehen. Für sie hat die Welt keinen Wert mehr, denn sie sind Pilger unterwegs nach der oberen Heimat. Der zu begehende Weg ist mehr eine zeitliche Wüstenwanderung. Deshalb finden wir das Wüstenkleid vorbildlich in Johannes dem Täufer (Matth. 3,4). Seine Kleidung war von Kamelhaaren, an der alle übrige Zier fehlte. Wie mag der Herr Jesus uns heute sehen?

Das 4. Kleid der Menschen ist das weiße oder hochzeitliche Kleid. Ein solches Kleid tragen die Geladenen. Das Tragen

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des Kleides hängt mit der Würdigkeit zur Hochzeit eng zusammen. Allein mit dem Kleid göttlicher Gerechtigkeit vermögen wir die Herrlichkeit des Herrn zu schauen!

Auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn ist von einem Kleiderwechsel die Rede. Der Vater – überglücklich, daß sein jüngerer Sohn zurückgekehrt ist – sagt: "Bringet das beste Kleid her und ziehet es ihm an … denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden." Welch ein Grund für den Vater, fröhlich zu sein. Welch Grund zur Freude auch für den Vater im Himmel, wenn Juda in die offenen Arme des Ausschau haltenden Vaters zurückkehrt (Luk. 15,11-32).

Ruth 3,7: "Und Boas aß und trank, und sein Herz wurde fröhlich." Die Erntezeit ist nach dem Worte Gottes Gerichtszeit, das Ende des Zeitalters, wenn der Christus ernten wird. Diese Ernte hat für den Herrn zwei Seiten. Die eine Seite ist die, daß die Ungerechtigkeit vor Gott ins Gedächtnis kommt und im Feuer des Gerichts verbrannt wird. Die andere Seite kommt in den Worten zum Ausdruck: "Boas aß und trank, und sein Herz wurde fröhlich." Kann ein Mensch beim Anblick des Gerichts fröhlich sein? Das Gericht Gottes ist ja nicht nur ein Geschehen, welches sich an den verlorenen Menschen wegen ihrer Werke vollzieht. Der Herr Jesus selbst wurde in Seiner Person ja völlig mit in dieses Gericht einbezogen. Das Gericht der Erretteten aus allen Haushaltungen Gottes betrifft ja den Herrn. Er hat die Strafe, die sie verdient haben, auf sich genommen. Jes. 53,7 sagt daher: "Er wurde mißhandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, gleich dem Lamme, welches zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf."

Mit dem Gericht war für den Herrn eine Belohnung verbunden. Das Wort verspricht Ihm: 'Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen" (Jes. 53,11). Darum

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ißt und trinkt Boas hier, und sein Herz wird fröhlich. Für die vor ihm liegende Freude hat der Herr das Kreuz erduldet. In dem fröhlichen Herz des Boas sehen wir, wie glücklich der Herr Jesus ist, daß die Mühsal Seiner Leiden die verheißene Frucht gebracht hat. Hat nicht Joseph ähnlich empfunden, als er wieder mit seinen Brüdern vereint war? "Und sie tranken und tranken sich fröhlich mit ihm" (1. Mose 43,34). Wenn Freude im Himmel ist über einen Sünder, der Buße tut, dann ist auch Freude im Herzen des Herrn Jesus. Boas' Herz wurde fröhlich nach vollbrachtem Werk.

Ruth 3,4: "Und es geschehe, wenn er sich niederlegt, so merke den Ort, wo er sich hinlegt." Ruth hätte sich auch zur Tageszeit dem Boas offenbaren können. Der Auftrag Noomis aber lautete: "Merke den Ort, wo er sich hinlegt." Also sollte Ruth sich dem Boas nahen, als die Dunkelheit hereingebrochen war. So fand diese Begegnung zur Abendzeit statt. Der Abend ist für Israel die Zeit neuer Ausgießung des Geistes. Das veranschaulicht eine Begegenheit, die Gott geschehen ließ, als es noch kein Volk Israel gab. Der Herr deutet hier schon an, wie Er Sein Volk führen wird.

Der Rabe und die Taube bei Noah

Der Herr zeigt es bei der Rettung Noahs, als dieser nach dem Willen Gottes den Raben und die Taube aus dem Fenster der Arche fliegen ließ, um zu erfahren, ob die Gerichtswasser von der Erde vertrocknet wären 1. Mose 8,6-12). Um das feststellen zu können, hätte es vielleicht genügt, nur den Raben oder nur die Taube fliegen zu lassen. Aber weil Gott das Werk Seiner Liebe – die Rettung von Menschen – zu erkennen geben möchte, mußte es ein Rabe und eine Taube sein. 1. Mose 8,6.7: "Und es geschah nach Verlauf von vierzig Tagen, da öffnete Noah das Fenster der Arche, das er gemacht hatte, und ließ den Raben aus; und der flog hin und wieder, bis die Wasser von der Erde vertrocknet waren." Der Rabe zählte zu den unreinen Tieren und durfte nicht geges-

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sen werden (5. Mose 14,14.19). Als der Herr dem Petrus kundtun wollte, daß das Evangelium auch den Nationen gepredigt werden soll, ließ Er ihn zur Stunde des Gebets in einem Gesicht unreine Tiere sehen, dargereicht in einem leinenen Tuch. Gott sagte: "Schlachte und iß!" Als Petrus abwehrte, da er als jüdischer Mann keine unreinen Tiere essen durfte, sprach der Herr abermals zu ihm: "Was Gott gereinigt hat, mache du nicht gemein!" Petrus begriff hier, was Gott ihn lehren wollte, und sagte später: "Ihr wisset, wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich einem Fremdling anzuschließen oder zu ihm zu kommen; und mir hat Gott gezeigt, keinen Menschen gemein oder unrein zu heißen" (Apg. 10,28). Darum kann bei Noah der Rabe als ein Bild der Nationen gesehen werden. Unrein waren die Nationen wegen ihrer Greuel, die sie begingen (Esra 9,11).

Die Taube ist ein Bild auf Israel. Sie ist ein reines Tier, weil sie für die Opferungen verwendet wurde, und die Opfer auf Christus hindeuten. Der Herr ist rein. Mit einer Taube wird aber auch das Volk Israel verglichen, und zwar das wahre Israel, welches die Errettung Gottes erfahren wird (Hosea 11,8.11). Durch diese zwei Tiere zeigt Gott, wie die Geschichte Israels und die der Nationen verlaufen wird. Der Rabe flog so lange hin und her, bis die Gerichtswasser auf der Erde vertrocknet waren. In bezug auf die Taube und damit auf Volk Israel werden uns mehr Einzelheiten mitgeteilt; die Geschichte der Nationen verläuft parallel dazu, ohne daß Gott näher darauf eingeht. Warum? Weil der Herr hier Israelgeschichte kundtun will. Die Geschichte des Volkes Israel begann, als die Israeliten in Ägypten zu einer Menge herangewachsen waren. Gott sprach: "Und ich will euch annehmen mir zum Volke, und will euer Gott sein" (2. Mose 6,7).

In 1. Mose 8,8.9, als Noah die Taube zum ersten Mal ausfliegen läßt, wird der Auszug aus Ägypten dargestellt, bis sie in das verheißene Land Kanaan hineinkommen. Aber die Taube findet keinen Ruheplatz für ihren Fuß und kehrt zu

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Noah in die Arche zurück. "Denn dieses Land ist der Ruheort nicht", klagt der Prophet (Micha 2,10). Und der Schreiber des Hebräerbriefes fügt hinzu: "Denn wenn Josua sie in die Ruhe gebracht hätte, so würde er (Gott) danach nicht von einem anderen Tage geredet haben" (Hebr. 4,8). Die Gerichtswasser hatten sich noch nicht verlaufen, und auch heute noch lebt Israel nach dem Wort von Richter 21,25, wodurch sie Gericht auf sich ziehen.

Noah wartet sieben Tage. Nach diesem von Gott festgelegten Zeitraum läßt er die Taube abermals fliegen. "Und die Taube kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein abgerissenes Olivenblatt war in ihrem Schnabel." Das Ende der Gerichtszeit naht, die Wasser haben sich verlaufen. Die Taube ist zwar noch nicht am Ruhort angelangt, doch ist sie schon im Besitz des Olivenblattes. Dies deutet hin auf die Ausgießung des Geistes Gottes nach Joel 2,28ff und Sach. 4,12-14, weil Öl ein Bild auf den Heiligen Geist und den Geist Gottes ist. Nach sieben weiteren Tagen – das ist nach Abschluß der Gerichtszeit – läßt er die Taube ein drittes Mal ausfliegen. "Und sie kehrte hinfort nicht wieder zu ihm zurück." Das wird das Tausendjährige Reich des Friedens sein. Dann wird Israel zur Ruhe kommen gleich der Taube.

1. Mose 8,8.9 Gesetzeszeit

1. Mose 8,10.11 Gerichtszeit und Ausgießung des Geistes Gottes

1. Mose 8,12 Tausendjähriges Reich des Friedens

Die Begegnung auf der Tenne Ruth 3,7-14

"Und er (Boas) kam, um sich an dem Ende des Getreidehaufens niederzulegen. Da kam sie leise und deckte zu seinen Füßen auf und legte sich hin." Boas legt sich zur Ruhe nieder neben dem Getreidehaufen, der Frucht, die durch

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seine Arbeit gereinigt wurde, und Ruth zu seinen Füßen. So sind sie eine Einheit: Ruth, als der Überrest Israels, als gereinigte Frucht, zu den Füßen des himmlischen Boas, Jesus Christus. 'Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen." Auch Israel wird eine Frucht Seiner Arbeit und Mühe sein.

Ruth kam leise. Noomi, ihre Schwiegermutter, hatte ihr Gebote auferlegt, wie sie in die Ruhe eingehen könnte (Ruth 3,lff). Ruth war durch ihre Heirat zu einer Tochter Israels geworden. Und schon zur Zeit des Gesetzes wurde verkündigt, wie Israel zur Ruhe gelangen sollte.

Bade dich! Reinigung

Salbe dich! Leben im Geiste Gottes

Lege deine Kleider an! Anziehen von Kleidern der

Gerechtigkeit

Das waren Vorschriften für ein Gott wohlgefälliges Leben. Ruth hatte getan, was die Schwiegermutter ihr gesagt hatte. Warum? Weil sie ihr glaubte. Der Glaube war ausschlaggebend für ihren Gehorsam. Was war das Geheimnis ihres großen Glaubens?

Das Geheimnis eines groben Glaubens Luk. 17,5-10

Die Jünger waren in der Schule des Herrn. Sie wurden unterwiesen, wie sie das Volk zu lehren hatten und wie sie selbst lernen sollten, das Wesen Jesu in ihrem Leben zu verwirklichen. Der Herr Jesus hatte von unvermeidlichen Ärgernissen gesprochen, die kommen würden. Er sprach von zwischenmenschlichen Beziehungen, und welch einen wichti-

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gen Platz die Vergebung darin einnimmt (Luk. 17,1-4). Diese Unterweisung mag die Jünger bewegt haben, den Herrn zu bitten: 'Vermehre uns den Glauben!" Sie erkannten ihre eigene Ohnmacht, in dieser Weise Umgang miteinander zu pflegen.

Der Herr teilt Seine Antwort in zwei Abschnitte ein. In Vers 6 spricht Er von der Menge des Glaubens und stellt fest, daß ein senfkorngroßer Glaube ausreichend ist, um große Dinge zu tun. Von Vers 7 bis 10 lehrt Er Seine Jünger, wie sie zu dem senfkorngroßen Glauben gelangen können. Die Unterweisungen des Herrn sind stets so ausgerichtet, daß der Fragende sich selbst in der Belehrung erkennt. Er beginnt mit den Worten: "Wer aber von euch, der einen Knecht hat …"

Der Herr Jesus spricht die Jünger hier als Herren an. Er sagt ihnen, wie sie sich einem Knecht gegenüber verhalten würden. Normal ist, daß der Knecht tut, was der Herr ihm sagt. Und wenn der Herr es fordert, sollte er auch über das Maß der täglichen Arbeit hinaus zur Verfügung stehen. Er erhält keinen Dank oder Lohn für sein Tun; dafür ist er eben Knecht.

"Also auch ihr…" Nun schwenkt der Herr um und bringt die Jünger auf die Ebene der Knechte. Hier liegt die Ursache für ihre Unfähigkeit zu glauben. Der Herr sprach sie als Herren an, weil Er wußte, daß dies ihre Herzenshaltung war, daß sie aber in diesem Zustand nicht in der Lage sein würden, senfkorngroßen Glauben zu besitzen. Und nun zeigt Er ihnen, welche Herzenshaltung ihnen den großen Glauben vermitteln würde: weg von der Haltung eines Herrn – wie in der Welt üblich – hin zur Knechtsgestalt Jesu Christi.

1. "Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist …"

2. Tim. 2,24.25 lehrt uns: "Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist."

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2. "… so sprechet: Wir sind unnütze Knechte." Das heißt nicht, seine Arbeit schlecht machen oder für gering achten, sondern den Dienst als eine Selbstverständlichkeit ansehen. "Wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren." Sich selbst aber sollen die Jünger gering einschätzen (Gal. 6,3).

Ruth kam leise. Diese Sinnesänderung Judas wird sich still, im Inneren des Herzens, durch den Geist Gottes vollziehen. "Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht Jehova der Heerscharen" (Sach. 4,6). So ist das Wirken des Geistes Gottes eine Angelegenheit, die sich im stillen vollzieht.

Und wenn Juda umkehrt, werden sie Worte mit sich nehmen gleich den Worten in Hosea 14,2: "Vergib alle Ungerechtigkeit, und nimm an was gut ist, daß wir die Frucht unserer Lippen als Schlachtopfer darbringen." Ruth deckte zu seinen Füßen auf und legte sich hin. Jetzt sucht Juda Zuflucht und Schutz bei dem, der sie geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat. Welch ein Ort der bedingungs- und vorbehaltlosen Hingabe an den Herrn – zu Seinen Füßen! Zu den Füßen Jesu wird Israel zur Ruhe kommen. Gerade diese Wende im Leben des Volkes spiegelt sich im Verhalten von Martha, Lazarus und Maria wider. Der Herr Jesus liebte Martha, ihre Schwester und den Lazarus und hielt sich gern in ihrem Hause auf (Joh. 11,5). Alle drei veranschaulichen deutlich die Geschichte Judas.

Martha stellt dar, was Israel unter Gesetz war. "Martha aber war sehr beschäftigt mit vielem Dienen … Martha, Martha! du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge" (Luk. 10, 40.41). Sehr beschäftigt, aber nichts zu Ende gebracht, denn der Hebräerbrief sagt in Kap. 7,19: "Das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht."

Lazarus zeigt den Zustand Israels heute: es ist "tot", "Lazarus ist gestorben" (Joh. 11,14). Juda hat kein geistliches

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Leben, weil sie kein Opfer für ihre Sünden stellen können und das vollkommene Opfer Christi verworfen haben.

Maria stellt dar, was Israel einmal sein wird, wenn sie zur Ruhe kommen zu den Füßen Jesu. "Maria, die sich auch zu den Füßen Jesu niedersetzte und seinem Worte zuhörte" (Luk. 10,39). Das war ja nicht immer so, wie aus den Worten der Martha hervorgeht: "Herr, kümmert es dich nicht, daß meine Schwester mich allein gelassen hat zu dienen? Sage ihr nun, daß sie mir helfe." Jesus erwidert ihr: "Maria aber hat das gute Teil erwählt, welches nicht von ihr genommen werden wird." Einen Weg aus dem Neuen Bund zurück zum Gesetz wird es nicht geben.

Ruth 3,8: "Und es geschah um Mitternacht, da schrak der Mann auf und beugte sich hin: und siehe, ein Weib lag zu seinen Füßen." Um Mitternacht, dem Zeitpunkt tiefster Dunkelheit in der Israel- und Menschheitsgeschichte, findet eine Begegnung statt, die in ihrem Ausdruck und Empfinden nur noch mit der Begegnung Josephs mit seinem Bruder Benjamin vergleichbar ist.

Joseph, der – wie auch später der Herr Jesus — von seinen Brüdern verworfen wurde und den Schmerz, den sie ihm zugefügt, durchlitten hatte, konnte in diesem Leid – gleich dem Herrn – gebahnte Wege des himmlischen Vaters erkennen. Seine innige Liebe zu seinem Gott erhielt ihm die Liebe zu seinen Brüdern, besonders zu Benjamin, der ja wie Joseph Rahel zur Mutter hatte. Benjamin kann in verschiedenen Mitteilungen der Schrift als ein Bild auf den Überrest Israels erkannt werden.

Joseph entspricht Jesus, Benjamin entspricht dem Uberrest Israels. So ist auch ihr Wiedersehen nach langer Trennung ähnlich zu sehen wie die Begegnung des Herrn Jesus mit dem Uberrest Judas oder die Begegnung von Boas und Ruth auf der Tenne. Die große Hungersnot in Kanaan zwang auch

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die Söhne Jakobs, Brot von Joseph zu kaufen. Josephs Brüder erschienen mit Benjamin, dem Jüngsten, vor Joseph. "Und er erhob seine Augen und sah seinen Bruder Benjamin, den Sohn seiner Mutter … Und er sprach: Gott sei dir gnädig, mein Sohn! Und Joseph eilte (denn sein Innerstes wurde erfegt über seinen Bruder) und suchte einen Ort, um zu weinen, und er ging in das innere Gemach und weinte daselbst. Und er wusch sein Angesicht und kam heraus, und bezwang sich und sprach: Traget Speise auf! … Und man trug Ehrengerichte von ihm zu ihnen; und das Ehrengericht Benjamins war fünfmal größer als die Ehrengerichte von ihnen allen. Und sie tranken und tranken sich fröhlich mit ihm" (1. Mose 43,29-34). Diese innere Erregung kennt der Herr in bezug auf das abtrünnige Israel, das dann in Juda umkehren wird zu seinem erbarmenden Gott. "Ist mir Ephraim ein teurer Sohn oder ein Kind der Wonne? Denn so oft ich auch wider ihn geredet habe, gedenke ich seiner doch immer wieder. Darum ist mein Innerstes um ihn erregt; ich will mich gewißlich seiner erbarmen, spricht Jehova" (Jer. 31,20). "Wie sollte ich dich hingeben, Ephraim, dich überliefern, Israel? Wie sollte ich dich wie Adama machen, wie Zeboim dich setzen? Mein Herz hat sich in mir umgewendet, erregt sind alle meine Erbarmungen" (Hosea 11,8).

Genau diese Sachlage wird hier auf der Tenne dargestellt. Boas schrak nicht in dem Sinne auf, daß er sich in der Dunkelheit vor der unbekannten Person fürchtete, denn die Hoffnung, das Weib zu seinen Füßen könnte Ruth sein, erregte sein Inneres. Hierhin gehört auch das Wort aus Psalm 78,65: "Da erwachte, gleich einem Schlafenden, der Herr, gleich einem Helden, der da jauchzt vom Wein." Boas' Herz war fröhlich geworden nach dem Essen und Trinken. Er liebte Ruth. Er fragt: "Wer bist du?" Sie antwortet: "Ich bin Ruth, deine Magd." Dies ist der Augenblick, auf den der Herr schon lange wartet. Er sehnt sich danach, daß Juda unter dem Schatten Seiner Flügel Geborgenheit sucht. Bei Seinem Einzug in Jerusalem hatte Er gesagt: "Jerusalem,

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Jerusalem! … Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!" (Matth. 23,37). Aber es wird geschehen, so wie es hier in der Begegnung zwischen Ruth und Boas gezeigt wird.

Boas schrickt auf: Sollte es wahr sein? Ruth war gekommen! Und dieses Kommen Ruths sagt aus: Boas, ich will dir gehören, nimm mich an! Du sollst mein Herr sein. 'Ich bin Ruth, deine Magd'. Dies wird der Augenblick sein, wenn das gehetzte Volk Israel, das geplagte Volk der Juden, zur Ruhe kommen wird. Alles Aufbegehren und eigene Wollen wird dann beendet sein.

Warum kommt Ruth zu Boas und nicht umgekehrt? In Joh. 1,11 heißt es: "Er kam in das Seinige, und die Seinigen nahmen ihn nicht an." Nun lag es an Juda zu kommen. Diesen Schritt der Bekundung ihres freien Willens erwartet der Herr von Juda und allen Menschen, die Gnade finden wollen in den Augen des Herrn. In Offenb. 22,17 heißt es: "Und wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst."

Ruth 3,9: "… so breite deine Flügel aus über deine Magd, denn du bist ein Blutsverwandter." Noomi, Ruths Schwiegermutter, hatte Ruth zu Boas geschickt, weil Boas ein Blutsverwandter Elimelechs war. Noomi wußte, daß das Gesetz einem Blutsverwandten gebot, für seine verarmten Verwandten aufzukommen (3. Mose 25,25). Ein anderes Gesetz besagte, daß Witwen nicht eines fremden Mannes werden sollten. Der nächste Blutsverwandte war verpflichtet, sie sich zum Weibe zu nehmen (5. Mose 25,5).

Auch in diesem Sinne muß Ruths Kommen zu Boas verstanden werden. Ruth sollte und wollte für die Zukunft versorgt sein und Kinder gebären dürfen. Bei Ruth war dieser Wunsch besonders verständlich, weil sie in ihrer Ehe mit

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Machion keine Frucht hervorgebracht hatte. Leibliche Frucht aber war zur Zeit des Alten Testaments ein Ausdruck des Segens und Wohlgefallens Gottes. Für Juda können sich dann die Segensverheißungen erfüllen, die Gott dem Abraham gab. Gott redete mit ihm und sprach: "Und ich werde dich sehr, sehr fruchtbar machen, und ich werde dich zu Nationen machen, und Könige sollen aus dir hervorkommen. Und ich werde meinen Bund errichten zwischen mir und dir und deinem Samen nach dir, nach ihren Geschlechtern, zu einem ewigen Bunde, um dir zum Gott zu sein und deinem Samen nach dir" (1. Mose 17,6.7). Und das Prophetenwort sagt: "Und es wird geschehen an jenem Tage, spricht Jehova, da wirst du mich nennen: Mein Mann … Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht, und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst Jehova erkennen" (Hosea 2,16.19-20).

Als Ruth ihre Bitte an Boas richtet, antwortet er ihr sofort mit Worten des Segens: "Gesegnet seiest du von Jehova, meine Tochter!" (Ruth 3,10). Und dann sagt Boas etwas, was zunächst unverständlich erscheint. "Du hast deine letzte Güte noch besser erwiesen als die erste" (Vers 10). Wie kann Boas von der Güte Ruths sprechen? Mußte sie nicht froh sein, daß er sie nicht abgewiesen hatte? Sie war doch Magd, Witwe und Waise für ihn. In dieser Begegnung Güte zu sehen, lag doch einzig und allein bei ihr. Er war doch der vermögende Mann und hatte Ansehen. Sein Leben war gekennzeichnet von den Segnungen und Bestätigungen Gottes. Und nun sah er ihr Kommen als eine besondere Güte für sich an. Was meint er mit erster und mit letzter Güte?

Die erste Güte sah er in ihrer Hinwendung zu Gott und Seinem Volk (Ruth 1,16): "Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott." Sie war gekommen, unter den Flügeln Jehovas, des Gottes Israels, Zuflucht zu suchen und sich damit im völligen Gehorsam dem Gesetz zu unterwerfen

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(Ruth 2,12). Er sah es auch in der Tatsache, daß sie nicht auf einem anderen Feld aufgelesen hatte.

Die letzte Güte bestand darin, daß sie nicht Jünglingen nachgegangen war, sei es armen oder reichen. Das heißt: Die bessere Güte war für Boas, daß Ruth sich ihm hingegeben hatte, daß er ihr Herr sein sollte.

Auf Israel bezogen zeigt sich die erste Güte darin, daß sie sich von Gott als das irdisch auserwählte Volk annehmen ließen. Israel unterwarf sich dem Gesetz am Sinai. Die letzte Güte findet bei der Rückkehr Israels zu Gott und Seinem Wort ihre Vollendung in dem Erkennen und Annehmen des Herrn Jesus, den sie einst verworfen hatten. In Sach. 12,10 heißt es: "Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den Eingeborenen, und bitterlich über ihn leidtragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen leidträgt." Dann werden sie auf Ihn hören und tun, was Er gesagt hat. Sie werden das Lamm auf dem Berge Zion sehen und werden Seinen Namen und den Namen Seines Vaters auf ihren Stirnen tragen (Offenb. 14,1). Die Annahme des Sohnes Gottes ist die letzte Güte, die der Uberrest Judas Seinem Gott erweisen wird.

Und noch etwas liegt in der letzten und besseren Güte verborgen. Jetzt, wo Boas weiß, daß Ruth ihn will, daß sie sich ihm hingegeben hat, kann er ihr die Liebe zeigen, die er in seinem Herzen für sie trägt. Noomi erkennt das sofort, als Ruth ihr später von ihrem Erleben auf der Tenne berichtet. Sie sagt: "Denn der Mann wird nicht ruhen, er habe denn die Sache heute zu Ende geführt" (Ruth 3,18). Für Juda bedeutet das: In dem Augenblick, wo sie den Herrn Jesus als ihren Messias annehmen, kann der Herr ihnen endlich so begegnen, wie Seine Liebe Ihn drängt. Zweitausend Jahre -seit Seiner Verwerfung – mußte Er Seine Liebe zurückhalten, weil sie Ihn nicht wollten. Wie schwer muß es für den

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Herrn sein, von dem die Schrift sagt: "Gott ist Liebe." Dann kann Seine Liebe ausgeschüttet werden über Sein Volk, ähnlich wie es in Römer 5,5 gesagt wird. Der Herr wird nicht ruhen, Er habe denn die Sache "heute" zu Ende geführt. Er wird sagen: "Ich … will sie willig lieben … Ich werde für Israel sein wie der Tau: blühen soll es wie die Lilie, und Wurzel schlagen wie der Libanon. Seine Schößlinge sollen sich ausbreiten, und seine Pracht soll sein wie der Olivenbaum, und sein Geruch wie der Libanon. Die unter seinem Schatten Wohnenden sollen wiederum Getreide hervorbringen, und blühen wie ein Weinstock, dessen Ruf wie der Wein des Libanon ist" (Hosea 14,4-7).

Boas sagte zu Ruth: "Bleibe diese Nacht" (Ruth 3,13). So lag sie zu seinen Füßen bis zum Morgen und stand auf, ehe einer den anderen erkennen konnte. "Es werde nicht kund, daß ein Weib auf die Tenne gekommen ist!" Hier war etwas im verborgenen geschehen. So wird es auch beim Überrest Israels sein. Der Prophet Hosea sagt: "Darum siehe, ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und ihr zum Herzen reden" (Hosea 2,14). In Offenb. 12,6 heißt es ergänzend: "… woselbst sie eine von Gott bereitete Stätte hat, auf daß man sie daselbst ernähre tausend zweihundertsechzig Tage." An diesem Ort, der durch die Spaltung des Ölbergs entstehen wird, erlebt Juda seine "Wiedergeburt", seine "Ruth-Boas-Begegnung".

Die Erretteten des Alten Testaments Ruth 3,15-17

Am nächsten Morgen, als Ruth sich anschickte, zu Noomi zurückzukehren, sprach Boas zu ihr: "Gib den Mantel her, den du anhast, … und er maß sechs Maß Gerste und legte sie ihr auf." Ruth kam zu ihrer Schwiegermutter und berich-

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tete ihr alles, was Boas ihr getan hatte: "Diese sechs Maß Gerste gab er mir, denn er sagte: Du sollst nicht leer zu deiner Schwiegermutter kommen." Boas will Noomi an der Gerste, die auf der Tenne gereinigt wurde, teilhaben lassen. Bildlich gesehen wird auch sie zu einer gereinigten Frucht der Tenne. Der Herr gibt hier zu erkennen, daß der Mensch, der die Dinge des Gesetzes getan hat, durch sie leben wird (Gal. 3,12). Die Gläubigen dieser Zeit werden mit in das Verheißungswort von Jes. 53,11 einbezogen, wo es heißt: 'Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen."

Paulus sagt es im Römerbrief folgendermaßen: "Denn gleichwie durch des einen Menschen Ungehorsam die Vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden. Das Gesetz aber kam daneben ein, auf daß die Übertretung überströmend würde. Wo aber die Sünde überströmend geworden, ist die Gnade noch überschwenglicher geworden … durch Jesum Christum" (Rom. 5,19-21). Für die alttestamentlichen Gläubigen, einschließlich derer, die aus dem Gesetz kommen, gibt es zwar keine Zukunft im Tausendjährigen Reich, aber es gibt eine Errettung für sie durch das Werk des Herrn am Kreuz von Golgatha. Sie gehen frei aus durch das Schuldopfer, welches Jesus Christus, der himmlische Boas, selbst gestellt hat.

Indem Boas sechs Epha gereinigte Gerste für Noomi mitgab, erfüllte er ein Gebot, das Gott zum Gedenken an die Befreiung des Volkes aus ägyptischer Knechtschaft gegeben hatte. In 5. Mose 15,12-17 heißt es: "Wenn dein Bruder, ein Hebräer oder eine Hebräerin, sich dir verkauft, so soll er dir sechs Jahre dienen; und im siebenten Jahre sollst du ihn frei von dir entlassen. Und wenn du ihn frei von dir entlassest, so sollst du ihn nicht leer entlassen: du sollst ihm reichlich aufladen von deinem Kleinvieh und von deiner Tenne und von deiner Kelter … Und es soll geschehen,

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wenn er zu dir spricht: Ich will nicht von dir weggehen, -weil er dich und dein Haus liebt, weil ihm wohl bei dir ist -so sollst du eine Pfrieme nehmen und sie durch sein Ohr in die Tür stechen, und er wird dein Knecht sein für immer; und auch deiner Magd sollst du also tun." Die Israeliten sollten lernen, so miteinander umzugehen, wie der Herr an ihnen gehandelt hatte und zukünftig handeln würde.

Von Hebräern spricht die Schrift, wenn sie erstens die wahrhaft Gläubigen des Alten Testaments anspricht; denn Abraham war der erste, der den Beinamen "der Hebräer" erhielt (1. Mose 14,13); und zweitens, um Israel deutlich von Nicht-Israeliten zu unterscheiden. Hebräer sind also das wahre Israel. Paulus, der sich selbst Hebräer nennt (2. Kor. 11,22; Phil. 3,5), redet vom wahren Israel: Nicht die, welche nach außen hin so leben, sind wirklich Juden, sondern solche, deren Lob von Gott ist (Rom. 2,28.29). Der Name Hebräer wird abgeleitet von Heber, einem Nachkommen Sems. Der wiederum war der erstgeborene Sohn Noahs (1. Mose 10,1.21-24).

In dem Gebot (5. Mose 15,12ff) ist die Rede von Knechten, von einem Herrn und dem Haus des Herrn. Gott schenkt hier einen tiefen Blick in Sein liebendes Herz, welches Er für das wahre Israel hat. Das sind die Menschen, die Ihn annehmen und Ihn lieben. Dies betrifft auch die Gläubigen der Jetztzeit; denn Israel mußte diese Dinge für sie bedienen, damit in allem die Größe und Herrlichkeit des Herrn erkennbar würde (1. Petr. 1,12).

Gott hatte weder Adam und Eva noch die Hebräer als Knechte geschaffen. Durch den Ungehorsam des Einen, Adam, wurde der Mensch dem Tod preisgegeben. Nur wenn der Mensch sich seinem Herrn und Gott zum Knecht verkaufte, konnte er am Leben bleiben. Die Hebräer sind das irdisch auserwählte Volk Gottes mit irdischen Verheißungen. Die Knechtschaft bestand darin, sich dem Herrn in völligem

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Gehorsam zu unterstellen. Nichts konnte der Knecht mehr sein eigen nennen. Was er tat, geschah für seinen Herrn. Der Knecht sollte sechs Jahre seinem Herrn dienen und im siebenten Jahr frei ausgehen. Wie bereits erwähnt, zählen bei Gott 1000 Jahre wie ein Tag und ein Tag wie 1000 Jahre (2. Petr. 3,8). Da Gott in sechs Tagen die Himmel und die Erde schuf und am siebenten Tag ruhte, wird auch hierin Bezug genommen auf die Heilsgeschichte der Hebräer, d.h. des wahren Israels. 6000 Jahre dienten sie Gott unter harten Bedingungen – "du sollst". Im siebenten Jahrtausend werden sie aus der Knechtschaft in die Freiheit entlassen werden. Die Freiheit des Knechtes in 5. Mose 15,12ff ging von dem Herrn aus. Der Herr ist Jesus Christus.

Was Noomi betrifft, erfüllt sich an ihr 5. Mose 15,13.14: "… so sollst du ihn nicht leer entlassen: du sollst ihm reichlich aufladen … von deiner Tenne … von dem, womit Jehova, dein Gott, dich gesegnet hat." Alles, was das Alte Testament in bezug auf die Gläubigen spricht, ist damit abgetan. Sie sind frei und müssen nicht in ihren Sünden umkommen. 6000 Jahre hatte Gott die Hebräer geführt, erlöst, geliebt und ihnen Seine Güte fortdauern lassen (Jer. 31,3).

Die Liebe, mit der Gott Israel unermüdlich dient, trägt am Ende der 6000 Jahre Frucht. Israel wird Jesus Christus als seinen Herrn erkennen und annehmen. Sie werden Ihn lieben, weil Er sie zuerst geliebt hat (1. Joh. 4,19). Darum heißt es in 5. Mose 15,16 weiter: "Und es soll geschehen, wenn er zu dir spricht: Ich will nicht von dir weggehen, -weil er dich und dein Haus liebt, weil ihm wohl bei dir ist." Israel wird nicht mehr von seinem Gott weggehen; sie werden Ihn und Sein Haus lieben – das ist den Tempeldienst, den sie ihrem Gott erweisen werden. Es wird ihnen wohl sein in der Gegenwart des Herrn Jesus. Diese Seite zeigt Ruth, indem sie zu Boas sagt: "Ich bin Ruth, deine Magd; so breite deine Flügel aus über deine Magd, denn du bist ein Blutsverwandter" (Ruth 3,9). Sie wollen dann Eigentum

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ihres Herrn sein. In dem Fall sollte der Herr dem Knecht damals eine Pfrieme durch das Ohr und diese dann in die Tür stechen als Zeichen dafür, daß er für immer Knecht seines Herrn blieb. Der Knecht sollte sich beim Ein- und Ausgehen beständig daran erinnern, daß er sich seinem Herrn freiwillig geschenkt hatte.

In Joh. 10,9 sagt der Herr Jesus: "Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden." Israel wird sich freiwillig an den Herrn binden; sie werden ein- und ausgehen und Weide finden. Auch werden sie willig auf ihren Herrn hören. Das Loch in seinem Ohr wird den Knecht ständig daran erinnern, daß er seinem Herrn ewig Gehorsam leisten will. Israel wird dann nicht nur Hörer, sondern auch Täter Seines Wortes sein.

Boas der Löser – Christus der Erlöser Ruth 4,1-10

"Und sie lag zu seinen Füßen bis zum Morgen; und sie stand auf, ehe einer den anderen erkennen konnte" (Ruth 3,14). Mit dem anbrechenden Morgen endet der Läuterungsprozeß für Israel. Dies ist gleichzeitig auch das Ende des Weltgerichts. In freudiger Erwartung des neuen Tages und der kommenden Ereignisse verläßt Ruth die Tenne. Boas hatte ihr versprochen, sie zu lösen, falls der näherstehende Blutsverwandte nicht von seinem Recht Gebrauch machen wollte.

Dieser neue Tag nach der Gerichtszeit deutet hin auf das Tausendjährige Reich, das Jubeljahr, den Tag der Erlösung für Israel. Der Herr hat in Seinem Wort eine solche Rettung vorausgesagt: "Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuf-

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lein Israel; ich helfe dir, spricht Jehova, und dein Erlöser ist der Heilige Israels" (Jes. 41,14). Auch in Jes. 49,26 spricht der Gott Israels: "Und alles Fleisch wird erkennen, daß ich, Jehova, dein Heiland bin, und ich, der Mächtige Jakobs, dein Erlöser."

Die Lösung des Esels

Zum Zeitpunkt dieser prophetischen Aussage wußte Israel noch nicht, daß sich die Verheißung in dem Opfer Christi erfüllen würde. Gott hatte dies aber schon in einem alttesta-mentlichen Gebot verankert. In 2. Mose 13,11-13 redet Gott zu Mose: "Und es soll geschehen, wenn Jehova dich in das Land der Kanaaniter bringt, … so sollst du Jehova alles darbringen, was die Mutter bricht; und alles zuerst Geworfene vom Vieh, … jedes Erstgeborene des Esels sollst du mit einem Lamme lösen, … und jedes Erstgeborene des Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen." Alles zuerst Geworfene vom Vieh sollte Jehova gehören, aber das Erstgeborene des Esels sollte mit einem Lamme gelöst werden. Warum? Der Esel ist zwar ein unreines Tier (er hat keine gespaltenen Hufe, 3. Mose 11,4), aber er zeigt in seinem Wesen das Verhalten Israels gegenüber seinem Gott. Das hatte Jakob bei der Segnung seiner zwölf Söhne in göttlicher Vorausschau schon erkannt. Über Issaschar sprach er: "Issaschar ist ein knochiger Esel, der sich lagert zwischen den Hürden. Und er sieht, daß die Ruhe gut, und daß das Land lieblich ist; und er beugt seine Schulter zum Lasttragen und wird zum fronpflichtigen Knecht" (1. Mose 49,14.15). Jeder der Söhne Jakobs beleuchtet eine bestimmte Eigenschaft des Volkes Israel. Issaschar zeigt die Seite der Knechtschaft, in die es wegen seines widerspenstigen Wesens gerät. Wegen ihrer Sünden, die sie unrein werden ließen vor Gott, wird hier ein unreines Tier genommen, um ein Bild auf Israel abzugeben. Darum sollte der Esel mit dem Lamme – ein Bild auf Christus, das Lamm Gottes – gelöst und so annehmbar für Gott werden.

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Wegen der Widerspenstigkeit Judas wählte der Herr Jesus einen Esel, um sich daraufzusetzen und in Jerusalem einzuziehen. Der Prophet sagt: "Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: gerecht und ein Retter ist er, demütig, und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Füllen, einem Jungen der Eselin" (Sach. 9,9). Das war schon eine sehr große Demütigung für den Herrn, sich zum König eines störrischen, widerspenstigen Volkes ausrufen zu lassen. Wußte Er doch, daß das Volk, welches eben noch rief: "Hosanna! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels!" (Joh. 12,13), im nächsten Augenblick schreien würde: "Hinweg, hinweg! kreuzige ihn!" (Joh. 19,15). Das Blut des Lammes Jesus Christus wird auch dieses widerspenstige Volk lösen von seinen Sünden. Der Herr sagte: "Denn dieses ist mein Blut, das des neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Matth. 26,28). Die Lösung des Esels durch das Lamm sollte zur Erinnerung an die Herausführung aus Ägypten in Verbindung mit der Opferung des Passahlammes geschehen (2. Mose 13,14.15). Dies entspricht der Lösung Israels durch das Blut des Lammes Gottes aus der Knechtschaft der Sünde und der Welt (1. Kor. 1,30).

Israel ist durch seine Halsstarrigkeit so verarmt, daß es nur noch das eine Feldstück und sich selbst zur Lösung, zum Kauf, anbieten kann. Noomi hatte gesagt: 'Voll bin ich gegangen, und leer hat mich Jehova zurückkehren lassen" (Ruth 1,21). Da war es gerade recht, daß der wohlhabende Boas bereit war zu lösen. "Und Boas ging zum Tore hinauf und setzte sich daselbst. Und siehe, der Blutsverwandte ging vorüber, von dem Boas geredet hatte. … Und er sprach zu dem Blutsverwandten: Noomi, die aus dem Gefilde Moabs zurückgekehrt ist, verkauft das Feldstück, welches unserem Bruder Elimelech gehörte; … Kaufe es … Wenn du lösen willst, löse." Der Blutsverwandte antwortete: "Ich will lösen. Da sprach Boas: An dem Tage, da du das Feld aus der Hand

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Noomis kaufst, hast du es auch von Ruth, der Moabitin, dem Weibe des Verstorbenen, gekauft, um den Namen des Verstorbenen auf seinem Erbteil zu erwecken" (Ruth 4,1-5).

Das war nicht so einfach. Ein Gesetz in 5. Mose 25,5-10 besagte: "Wenn Brüder beisammen wohnen, und einer von ihnen stirbt und hat keinen Sohn, so soll das Weib des Verstorbenen nicht auswärts eines fremden Mannes werden; ihr Schwager soll zu ihr eingehen und sie sich zum Weibe nehmen und ihr die Schwagerpflicht leisten. Und es soll geschehen: der Erstgeborene, den sie gebiert, soll nach dem Namen seines verstorbenen Bruders aufstehen, damit dessen Name nicht ausgelöscht werde aus Israel." Gott hatte durch dieses Gesetz Vorsorge getroffen, damit Land und Same Israels erhalten blieben. Gleichzeitig hält Gott sich selbst an dieses Wort. Er verspricht: "Und es wird geschehen an jenem Tage, da wird der Herr noch zum zweiten Male seine Hand ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrigbleiben wird, loszukaufen" (Jes. 11,11). Und Jer. 31,11.12 sagt: "Denn Jehova hat Jakob losgekauft und hat ihn erlöst aus der Hand dessen, der stärker war als er. Und sie werden kommen und jubeln auf der Höhe Zions, und herbeiströmen zu den Gütern Jehovas: zum Korn und zum Most und zum Öl." Erfüllen werden sich diese Verheißungen in dem Herrn Jesus Christus. Der Erstgeborene sollte den Namen des Verstorbenen tragen, so blieb dessen Geschlecht erhalten.

Wie ernst der Herr Sein Wort diesbezüglich nimmt, wird im Leben Onans deutlich. Onan war ein Sohn Judas. Er weigerte sich, die Schwagerpflicht zu erfüllen, und mußte dieses Versäumnis mit dem Tod bezahlen (1. Mose 38,8-10).

Ruth 4,6: "Da sprach der Blutsverwandte: Ich kann nicht für mich lösen, daß ich mein Erbteil nicht verderbe. Löse du für dich, was ich lösen sollte, denn ich kann nicht lösen." Das heißt also: Wenn der nähere Blutsverwandte den Namen Machions erweckt hätte, würde er damit sein eigenes Erbe

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verderbt haben. Selbst wenn er es gewollt hätte, er konnte nicht lösen. Er hätte ja einen Bund mit Ruth eingehen müssen, wobei sein eigenes Erbe verderbt worden wäre.

Weil Boas ein Schattenbild auf den Herrn Jesus ist, will der Vater im Himmel hier auf das Erlösungswerk Seines Sohnes hinweisen. Der Vater im Himmel steht in einer so tiefen Verbundenheit zum Erlösungswerk Seines Sohnes, daß Er vom ersten bis zum letzten Buch der Schrift das Werk Seines Sohnes hervorheben möchte. Es ist, wie wenn Er sagen wollte: Seht, das ist Mein Sohn. So ein wunderbares und großartiges Werk der Liebe vollbringt Er für eine verlorene Welt! In der Beziehung zum Erlösungswerk des Herrn Jesus gibt es tiefere Gründe, warum der nähere Blutsverwandte nicht lösen konnte.

Ein Mensch kann nicht erlösen

In Psalm 49,7 heißt es: "Keineswegs vermag jemand seinen Bruder zu erlösen, nicht kann er Gott sein Lösegeld geben." Auch ist der Mensch nicht in der Lage, sich selbst zu erlösen, denn Matth. 16,26 sagt: "Oder was wird ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele?"

In Psalm 49,7 und im Buch Ruth ist ja die Errettung und Erlösung des Volkes Israel, aber auch der Menschen allgemein angesprochen. Da Boas ein Bild auf den Herrn Jesus ist, wird hier gezeigt, daß Menschen – und mögen sie noch so eng miteinander verwandt sein – einen anderen Menschen nicht erlösen können. Der Herr Jesus allein kann das Lösegeld zahlen, und Er hat es getan. Der nähere Verwandte hätte Machions Namen erwecken sollen. Machion war ja tot, und nur der Herr Jesus kann aus dem Tod neues Leben hervorbringen. Nur der Herr Jesus kann dem Volk Israel, das heute geistlich tot ist, einen Namen erwecken. Boas handelt an Ruth so, wie der Herr Jesus an denen handelt, die an Seinen Namen glauben. Auch für Sein Volk gilt Sein

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Erlösungswerk, wiewohl sie es bis heute nicht erkannt haben. Der Korintherbrief sagt: "Denn bis auf den heutigen Tag bleibt beim Lesen des alten Bundes dieselbe Decke unaufgedeckt, die in Christo weggetan wird" (2. Kor. 3,14). Boas gab sich gewissermaßen selbst hin, um nicht seinen eigenen, sondern den Namen Machions zu erwecken. So wird der Herr Jesus im Tausendjährigen Reich den Namen Israels erwecken. Sie werden glaubend Leben haben in Seinem Namen (Joh. 20,31).

DER NÄHERE BLUTSVERWANDTE – EIN BILD AUF DEN ERSTEN BUND

Bei der Lösung Ruths ging es um einen neuen Bund, in den sie eintreten sollte.

Der erste Bund, den Gott mit Israel machte, begann mit Abraham (l.Mose 15,1-21). Dieser Bund hatte sowohl den verheißenen Samen als auch die künftige Inbesitznahme des Landes Kanaan zum Inhalt. In Vers 18 heißt es: "An selbigem Tage machte Jehova einen Bund mit Abram und sprach: Deinem Samen gebe ich dieses Land vom Strome Ägyptens bis an den großen Strom, den Strom Phrath." Dann zählt Gott die kanaanitisehen Volksstämme auf, die Er in die Hand des Samens Abrahams geben wollte.

In Vers 8 hatte Abraham gefragt: "Herr, Jehova, woran soll ich erkennen, daß ich es besitzen werde?" Daraufhin zeigt der Herr Geschichte des Volkes Israel, wie sie sich später tatsächlich ereignete. Wieder geschieht diese Mitteilung unter dem Aspekt, daß die 2000 Jahre Gnadenzeit unerwähnt bleiben. Gott spricht zu Abraham: "Hole mir eine dreijährige Färse und eine dreijährige Ziege und einen dreijährigen Widder und eine Turteltaube und eine junge Taube.

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Und er holte ihm diese alle und zerteilte sie in der Mitte und legte die Hälfte eines jeden der anderen gegenüber; aber das Geflügel zerteilte er nicht" (Verse 9 und 10).

Dreijährig sollten diese Tiere sein. Das deutet hin auf 3000 Jahre Israelgeschichte – 2000 Jahre unter dem ersten Bund und 1000 Jahre des Friedens unter dem neuen Bund. Die erwähnten Tiere sind "reine Tiere", die für die Opferungen verwendet wurden. Sie alle stellen ein Schattenbild dar auf Christus und die Rechtfertigung aus Glauben an Sein Opfer. Die einander gegenüberliegenden Hälften sind ein Hinweis auf den ersten und den neuen Bund Gottes mit Seinem Volk. Aus diesem Grund wohl bekam Mose später zwei Tafeln des Bundes (2. Mose 32,15). Auch der Vorhang im Tempel zerriß nach dem Tod Jesu in zwei Stücke (Matth. 27,51).

In 1. Mose 15,11-15 deutet der Herr an, was während der Zeit des ersten Bundes mit dem Volk geschehen würde. "Und die Raubvögel stürzten auf die Äser herab; und Abram scheuchte sie hinweg." Das Verhalten Israels gab Gott sehr oft Anlaß, sie in die Hand ihrer Feinde zu geben (Jer. 7,33; 34,18-20). Doch wachte der Herr in Seiner Liebe darüber, daß sie nicht gänzlich ausgerottet wurden. Nun heißt es weiter: "Und es geschah, als die Sonne untergehen wollte, da fiel ein tiefer Schlaf auf Abram; und siehe, Schrecken, dichte Finsternis überfiel ihn." Die Zeit des Sonnenuntergangs ist auch hier als die Zeit anzusehen, die auf das Ende des ersten Bundes und des Gesetzes hinweist; das ist die Zeit, in der Gott Israel zur Seite stellt und sich 2000 Jahre lang den Nationen in Gnade zuwendet. Wenn Gott sich den Menschen nicht offenbaren kann, wie Er es möchte, weil sie nicht in Seinem Willen leben, dann bedeutet dies für solche Schrecken und tiefste Finsternis. So ergeht es dem Volk Israel, weil sie ihren Messias verworfen haben.

In den Versen 13 und 14 wird dann von den 400 Jahren ägyptischer Knechtschaft geredet. Sie endet mit dem Gericht

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an Pharao; das Volk zieht mit großer Habe aus Ägypten aus. Später erfüllt sich dieses Wort auch dahin, daß das Volk Israel in alle Welt zerstreut wird. Wann wird der Herr sie aus dieser Zerstreuung zurückführen? Vers 16 gibt die Antwort: "Und im vierten Geschlecht werden sie hierher zurückkehren; denn die Ungerechtigkeit der Amoriter (Nationen, Anm. d. Verf.) ist bis hierher noch nicht voll."

Im Geschlechtsregister in Matth. 1,2 ist die Reihenfolge Abraham – Isaak – Jakob – JUDA erkennbar. Der Stamm Juda ist also das vierte Geschlecht, das nach der Zerstreuung in alle Welt wieder in das Land Kanaan zurückkehren wird. Und so geschieht es ja auch. Wie wacht der Herr doch über Seinem Wort, daß kein Jota davon auf den Boden fällt! Doch wird das Volk der Juden durch einen tiefen Läuterungsprozeß gehen müssen, um dann in Treue mit Gott zu leben. Darum heißt es in Vers 17: "Und es geschah, als die Sonne untergegangen und dichte Finsternis geworden war, siehe da, ein rauchender Ofen und eine Feuerflamme, die zwischen jenen Stücken hindurchfuhr."

Inzwischen ist die Sonne gänzlich untergegangen. Das entspricht der prophetischen Zeit von Joh. 9,4: "Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann." Das Gericht, das sich an Juda vollziehen wird, wird in Mal. 4,1-3 beschrieben: "Denn siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen." Für die Gesetzlosen wird es ein Gericht zum Tode sein; für die, die den Namen des Herrn fürchten, wird "die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln."

Diese Rettung Judas durchs Gericht steht in Verbindung mit dem Opfertod des Herrn Jesus. Das Gericht, von dem 1. Mose 15,17 spricht, ist ein Hinweis auf das Gericht an dem Herrn Jesus. Auf der einen Seite, das ist die eine Hälfte des Tieres, liegt in Ihm die Erfüllung des Gesetzes (indem Er durch Sich selbst das vollkommene Opfer darbrachte); auf der anderen Seite, das ist die zweite Hälfte des Tieres, leitet

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Er mit Seinem Tod am Kreuz den neuen Bund ein. Und genau auf dieser Grundlage von Vers 17 schließt Gott den Bund mit Abraham.

430 Jahre nach der Schließung dieses Bundes, als das Volk Israel aus Ägypten gezogen war und in der Wüste am Sinai weilte, erweiterte Gott den Bund mit Seinem Volk, indem Er den Bund des Gesetzes hinzufügte (2. Mose 24,3-8). Hier geht es um Vorschriften und Rechte des Gesetzes, die Gott zuvor (in Kap. 20-23) dem Mose verordnet hatte. Es geht hier nicht um Verheißungen an Abraham, sondern um Vorschriften für ein Gott wohlgefälliges Leben mit Hindeutungen auf das vollkommene Opfer Jesu Christi.

Der erste Bund hatte also zwei Seiten. Die erste Seite, das waren die Verheißungen des Segens, nämlich Land in Besitz zu nehmen und Samen zu empfangen. Dies wird in der Person Saras versinnbildlicht, solange Isaak noch nicht geboren war. Die zweite Seite ist die Knechtschaft des Gesetzes vom Sinai, was in Hagar, der Magd Abrahams, dargestellt wird, die auch den Ismael gebar. Davon spricht Paulus in seinem Brief an die Galater: "Saget mir, die ihr unter Gesetz sein wollt, höret ihr das Gesetz nicht? Denn es steht geschrieben, daß Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien; aber der von der Magd war nach dem Fleische geboren, der aber von der Freien durch die Verheißung, was einen bildlichen Sinn hat; denn diese sind zwei Bündnisse: eines vom Berge Sinai, das zur Knechtschaft gebiert, welches Hagar ist. Denn Hagar ist der Berg Sinai in Arabien, entspricht aber dem jetzigen Jerusalem, denn sie ist mit ihren Kindern in Knechtschaft; aber das Jerusalem droben (Sara, Anm. d. Verf.) ist frei, welches unsere Mutter ist" (Gal. 4,21-26). Daß diese zwei Seiten des ersten Bundes zusammengehören, sagt Paulus in Gal. 3,17: "Einen vorher von Gott bestätigten Bund (mit Abraham, Anm. d. Verf.) macht das vierhundertunddreißig Jahre danach entstandene Gesetz nicht ungültig, um die Verheißung aufzuhe-

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ben." Den Verheißungen an Abraham wurde das Gesetz hinzugefügt, bis der Same käme, dem die Verheißung gemacht war, das ist Christus.

Der neue Bund ist begründet in Christus, indem Er zuvor das Gesetz erfüllt hat, das dann seiner Nutzlosigkeit wegen abgeschafft wurde. Jesus Christus ist der verheißene Same, und somit erfüllen sich alle an Abraham ergangenen Segensverheißungen in Ihm. Der nähere Blutsverwandte ist ein Bild auf den ersten Bund, den Gott mit Israel eingegangen war. Auf dem Boden des Gesetzes konnten sich die an Abraham ergangenen Verheißungen jedoch nicht erfüllen, denn es steht geschrieben: "Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" (2. Kor. 3,6). Die Verheißungen konnten sich nur in dem verheißenen Samen erfüllen, welcher Christus ist (Gal. 3,16). Und Christus wird in dem Buch Ruth von Boas dargestellt. Der Weg für Boas war frei. Er konnte das Feld lösen und dem toten Machion Samen erwecken.

Von der Lösung eines Feldes und der damit verbundenen Erhaltung des Samens lesen wir nicht nur im Buch Ruth. In Matth. 27,9.10 findet sich ein besonders schöner Hinweis: "Da wurde erfüllt, was durch den Propheten Jeremias geredet ist, welcher spricht: Und sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Preis des Geschätzten, welchen man geschätzt hatte seitens der Söhne Israels, und gaben sie für den Acker des Töpfers, wie mir der Herr befohlen hat."

Hier geht es ja um die Verwerfung des Herrn, der von Judas für 30 Silberlinge überliefert wurde. Als Judas gewahr wurde, daß der Herr Jesus verurteilt wurde, reute ihn seine Tat, und er warf das Geld in den Tempel. Mit diesem Geld wurde dann der Acker des Töpfers gekauft. Die Bezugnahme auf den Propheten Jeremias betrifft wohl die Verse 7 und 10 von Matth. 27, wo vom Kauf des Feldes geredet wird. Denn in Jer. 32,6-15.25 geht es um den Kauf eines Feldes – von der Bedeutung her eine Vorerfüllung dessen, was sich in Matth.

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27,7-10 erfüllt. Die in der Elberfelder Bibelübersetzung angegebene Fußnote "Sach. 11,12.13" bezieht sich mehr auf die Verse 3-5 von Matth. 27, wo die Rede von den Silberlingen ist, die Judas in den Tempel warf.

Der Kauf des Feldes zu Anathoth Jer. 32,6-15

Was war in Jeremia vorausgesagt, das sich beim Kauf des Feldes in Matthäus erfüllt haben sollte? Jeremia war im Gefängnishof des Königs Zedekia. Zedekia war der letzte König von Juda, bevor das Königreich aufhörte zu bestehen und der Tempel zerstört wurde. Eine göttliche Weissagung gegen den König, daß er in babylonische Gefangenschaft geraten würde, hatte Jeremia zum Gefangenen des Königs werden lassen. Während seines Aufenthaltes im Gefängnishof empfängt Jeremia von Gott den Auftrag, das Feld seines Vetters zu kaufen, welches dieser ihm zum Kauf anbieten würde. Hanamel, der Vetter Jeremias, sprach alsbald zu ihm: "Kaufe doch mein Feld, das zu Anathoth im Lande Benjamin ist, denn du hast das Erbrecht, und du hast die Lösung (das Lösungsrecht, Anm. d. Verf.); kaufe es dir" (Vers 8). Jeremia erkannte, daß es das Wort Jehovas war, und kaufte das Feld, das zu Anathoth war. Er wog das Geld dar: Siebzehn Sekel Silber. Vor Zeugen schrieb Jeremia dann zwei Kaufbriefe gleichen Inhalts. Einen versiegelte er, der andere blieb offen. Die Zeugen unterschrieben die Briefe. Dann sprach Jeremia zu allen Anwesenden: "So spricht Jehova der Heerscharen, der Gott Israels: Nimm diese Briefe, diesen Kaufbrief, sowohl den versiegelten als auch diesen offenen Brief, und lege sie in ein irdenes Gefäß, auf daß sie viele Tage erhalten bleiben. Denn so spricht Jehova der Heerscharen, der Gott Israels: Es werden wiederum Häuser

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und Felder und Weinberge in diesem Lande gekauft werden" (Jer. 32,14.15).

Hier schenkt Gott wieder einen Einblick in das Erlösungswerk Seines Sohnes Jesus Christus. Wie in dem Buch Ruth beruft sich der Vetter hier auf das Gesetz in 3. Mose 25,25. Dort steht, daß der nächste Verwandte das Verkaufte seines Bruders lösen sollte, wenn dieser verarmte war und sein Feld zum Kauf anbot. "Du hast das Erbrecht, und du hast die Lösung", sprach der Vetter zu Jeremia.

Jeremia, ein levitischer Prophet aus Anathoth, kann hier mit dem Herrn Jesus verglichen werden, dem Löser oder Erlöser Israels und der Menschen. Für Israel gilt das Wort in Jes. 41,14: "Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuflein Israel; ich helfe dir, spricht Jehova, und dein Erlöser ist der Heilige Israels." Für den Glaubenden gilt heute 1. Kor. 1,30: "Aus ihm aber seid ihr in Christo Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung."

Der Vetter Hanamel war Levit aus Anathoth, dem Lande Benjamin. Auch das Priestertum war verarmt. In vielen Schriftstellen beklagt Gott das Versagen der Führer Israels. Da Benjamin in der prophetischen Aussage mit dem Überrest Israels verglichen wird, zeigt der Herr hier auch ein Wiedererstehen des Priestertums im Überrest Israels durch das Erlösungswerk Jesu Christi. Hanamel bedeutet "Gott ist gnädig". Und weil Gott gnädig ist, handelt Er gnädig auch an Seinem Volk Israel. Wie sollte es sonst Bestand haben können? Auch die Bedeutung Anathoths läßt die gnädige Hand Gottes erkennen, die er Israel zuteil werden läßt. Anathoth heißt "beantworten, beantwortete Gebete, Erhörungen". Die vielen Gebete Israels, die Ausdruck ihrer Sehnsucht nach Erlösung sind, werden erhört werden. Und gerade zu diesem Zeitpunkt, wo das Königtum und das Priestertum beendet und das Volk in Gefangenschaft geführt werden

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sollte, offenbart der Herr durch den Kauf des Feldes eine zukünftige Errettung, so wie es in Jer. 32,15 geschrieben steht: "Es werden wiederum Häuser und Felder und Weinberge in diesem Lande gekauft werden."

Jeremia war Gefangener in Jerusalem – der Herr Jesus war Gefangener in Jerusalem. Jeremia hatte das Erbrecht – der Herr Jesus hat das Erbrecht (Hebr. 1,2). Jeremia hat gekauft – der Herr Jesus hat "um einen Preis erkauft" (1. Kor. 6,20), Land und Same sollten erhalten bleiben. Jeremia bezahlte den Preis von siebzehn Sekeln Silber. In der hebräischen Sprache haben Worte einen Zahlenwert, das Wort "Vollendung" hat den Zahlenwert siebzehn. Silber ist ein Bild der Erlösung. Eine vollendete Erlösung wird hier für Israel vorausgesagt. Der Herr Jesus wurde für dreißig Silberlinge überliefert, für die man auch das Feld kaufte. "Sonne, Erlösung" hat den Zahlenwert dreißig. So ist in der Sonne der Gerechtigkeit – Christus – die Erlösung der Menschen gegeben. Der Herr wird es vollenden.

Jeremia schrieb einen Kaufbrief in doppelter Ausfertigung, worin die Bestimmungen und Festsetzungen festgehalten wurden. Die Bestimmungen sind in Jer. 32,15 genannt: "Es werden wiederum Häuser und Felder und Weinberge in diesem Lande gekauft werden." Warum ein offener und ein versiegelter Brief? Der offene Brief konnte von jedem, der es wollte, eingesehen werden; er war erkenntlich für alle. Paulus sagt dazu: "Ihr seid unser Brief, eingeschrieben in unsere Herzen, gekannt und gelesen von allen Menschen; die ihr offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi seid, angefertigt durch uns im Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geiste des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens" (2.Kor. 3,2.3). Auch Israel wird ein offener Brief sein für alle Menschen: "Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott, und sie werden mir zum Volke sein" (Hebr. 8,10).

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Und Jes. 49,26 sagt: "Und alles Fleisch wird erkennen, daß ich, Jehova, dein Heiland bin, und ich, der Mächtige Jakobs, dein Erlöser."

Der versiegelte Brief weist auf die Sicherheit hin und die zukünftige Herrlichkeit, die den Glaubenden in der Ewigkeit erwartet (Eph. 1,13.14). Dort heißt es: "In welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung, welcher das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit." Für Israel als Volk gelten die Aussagen von Offenb. 7,3.4: "… bis wir die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen versiegelt haben. Und ich hörte die Zahl der Versiegelten: Hundertvierund-vierzig tausend Versiegelte." Das sind jene, die in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches eingehen werden.

Beide Briefe wurden in ein irdenes Gefäß gelegt, damit sie viele Tage erhalten blieben (Jer. 32,14). Gleichzeitig wird hier erkennbar, was Paulus in 2. Kor.4,7 sagt: "Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen." Das irdene Gefäß ist der Leib. Und welchen Schatz meint die Schrift? Vers 6: "… der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi." Für Israel werden sich die Verheißungen von Jer. 32,15 nach vielen Tagen im Fleische erfüllen. Der Herr antwortet dem Jeremia auf dessen Bedenken: "Siehe, ich bin Jehova, der Gott alles Fleisches; sollte mir irgend ein Ding unmöglich sein?" (Jer. 32,27).

Der Acker des Töpfers

Matthäus sagt in seinem Evangelium, daß sich in dem Kauf des Ackers des Töpfers die Mitteilungen aus Jeremia erfüllt hätten. Jeremia hatte gekauft, wie (>s der Herr licl'olilcii hatte (Jer. 32,25). Was hatte sieb denn <>r(üll!. mit dem Kntif

dieses Ackers des Töpfers? In dem Herrn Jesus erfüllte sich die Erlösung oder Lösung, die in dem Kauf von Jeremia vorgeschattet wird. Der Zusammenhang im Matthäusevangelium ist der Verrat des Judas Iskariot. Judas hatte den Herrn überliefert und dafür dreißig Silberlinge empfangen (Matth. 26,15). Der Herr Jesus wurde von den Menschen verworfen (1. Petr. 2,4). Er, der abgesondert von den Sündern gelebt hatte, war geheiligt vom Vater im Himmel für das Erlösungswerk Gottes (Joh. 10,36). Der Herr Jesus selbst sprach auch: "Ich heilige mich selbst für sie" (Joh. 17,19). Damit war der Herr ein Gottgeweihter.

Nun gab es ein Gesetz in Israel, das besagte: "Wenn jemand Untreue begeht und aus Versehen an den heiligen Dingen Jehovas sündigt (an dem, was für Gott abgesondert war, Anm. d. Verf.), so soll er sein Schuldopfer dem Jehova bringen." Der Wert des Schuldopfers sollte in Sekeln Silber, nach dem Sekel des Heiligtums, bemessen werden. Der Schuldige sollte erstatten und noch ein Fünftel mehr geben. Dann hatte er Vergebung (3. Mose 5,15.16). Israel hatte nach diesem Gesetz Untreue an dem Heiligtum begangen, indem sie den Herrn verworfen und getötet hatten; denn Jesus Christus war Gott geheiligt. Die Pharisäer und die Ältesten des Volkes sahen es umgekehrt. Sie meinten, Jesus habe sich schuldig gemacht, indem Er sagte, Er sei Gottes Sohn.

Israel hätte nun nach dem Gesetz in 3. Mose 5,15 ein Schuldopfer darbringen müssen. Gott jedoch hat es so gewirkt, daß sie – ohne zu wissen, was sie tun – den Wert des Geheiligten berechneten, und zwar nach dem Sekel des Heiligtums. Sein Wert wurde geschätzt auf 30 Silberlinge (Matth. 26,15). Das war so viel, wie ein Weib geben mußte, wenn sie sich dem Herrn weihen oder ein Gelübde erfüllen wollte (3. Mose 27,4). Das ist der Preis, den Israel eigentlich hätte zahlen müssen bei völliger Hingabe und Weihe an den Herrn. Das konnten sie nicht, denn "was wird ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele?" (Matth. 16,26). Sie wa-

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ren nicht in der Lage, ihre Schuld zu begleichen. Welches Schuldopfer hätten sie bringen sollen, das hier nach dem Gesetz gefordert war? Weil sie es nicht vermochten, tritt der Herr selbst an ihre Stelle; Er tritt als Bürge für sie ein und bezahlt mit Seinem Leben, was sie hätten bringen sollen: 30 Silbersekel – den Preis eines Weibes, das sich dem Herrn weihen wollte. Der Herr Jesus wird hiermit dem Weibe gleichgestellt.

In der Heilsgeschichte Israels ist das Weib ein Bild auf Israel. Darum schätzten sie den Herrn also auf 30 Silberlinge, weil Er an ihrer Statt bezahlte. Mit Seinem Leben stellte Er gleichzeitig das geforderte Schuldopfer. So werden sie Vergebung erlangen, wenn sie den Herrn Jesus annehmen. In dem Gesetz hieß es ja: Wer sich versehentlich schuldig macht… War die Verwerfung Jesu ein Versehen? Der Herr sprach am Kreuz: 'Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Luk. 23,34). Unwissenheit spricht zwar nicht frei von Schuld, doch Vergebung wird ihnen zuteil durch das Opfer am Kreuz.

Die 30 Silberlinge sind der herrliche Preis, der in den Tempel geworfen wurde (Matth. 27,5). Sacharja spricht prophetisch von dieser Handlung und fügt hinzu: "Da sprach Jehova zu mir: Wirf ihn dem Töpfer hin, den herrlichen Preis, dessen ich von ihnen wertgeachtet bin! Und ich nahm die dreißig Silbersekel und warf sie in das Haus Jehovas, dem Töpfer hin" (Sach. 11,13).

Warum dem Töpfer? Im Tempel befand sich kein irdischer Töpfer. Das wäre Verunreinigung des Tempels gewesen. Hier spricht die Schrift im Bild, wie in Jes. 64,8: "Wir sind der Ton, und du bist unser Bildner, und wir alle sind das Werk deiner Hände." Und in Jer. 18,6 spricht der Herr 'Vermag ich euch nicht zu tun wie dieser Töpfer, Haus Israel? … siehe, wie der Ton in der Hand des Töpfers, also seid ihr in meiner Hand, Haus Israel." Gott vergleicht sich mit einem

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Töpfer. Diese 30 Silberlinge waren Blutgeld, weil es der Preis für das Blut Jesu war (Matth. 27,6). Und mit Seinem Blut (Geld) bahnte der Herr Jesus den Weg ins Heiligtum, vor die Füße des Töpfers – Gott. "Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen", hatte Gott in 2. Mose 12,13 geredet. Blutgeld war es, weil der Mensch Jesus Christus Sein Leben dafür lassen mußte. Wenn Gott der Töpfer ist, dann ist der Acker des Töpfers die Welt (Matth. 13,38). Die Schrift sagt: "Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe" (Joh. 3,16). Dieser Acker der Welt, der dem Töpfer gehört, wurde mit dem Blutgeld erkauft zum Begräbnis für die Fremdlinge. Als Fremdlinge in der Beziehung zu Israel sieht die Schrift immer die Nationen (2. Mose 12,19; 22,21; Jes. 14,1; Luk. 17,18; auch Samaria wurde als Nation geachtet). Der Herr Jesus nahm die Sünde der Welt auf sich (Joh. 1,29). Und Gott war in Christo, die Welt mit sich selbst versöhnend (2. Kor. 5,19). So treten die Nationen der Welt in ihrem Tode bildlich gesprochen in die Blutsgemeinschaft mit dem Schuldopfer Jesu Christi (Gal. 2,20).

Der Blutsverwandte hatte zu Boas gesagt, er solle kaufen bzw. für sich lösen. Nun heißt es in Ruth 4,7 weiter: "Dies aber geschah vordem in Israel bei einer Lösung und bei einem Tausche, um jede Sache zu bestätigen: der eine zog seinen Schuh aus und gab ihn dem anderen; und das war die Art der Bezeugung in Israel." Das bedeutet: Boas darf in den Schuhen des Blutsverwandten gehen. Er darf die Rechte, die der nähere Verwandte hatte, für sich nehmen.

Der erste Bund tritt seine Rechte an den Bürgen des besseren Bundes ab – das ist Christus. "Insofern ist Jesus eines besseren Bundes Bürge geworden" (Hebr. 7,22). Boas hat sich Ruth zum Weib erkauft, um den Namen des Verstorbenen auf seinem Erbteil zu erwecken, damit der Name des Verstorbenen nicht ausgerottet werde unter seinen Brüdern.

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VERHEIßENE Segnungen Ruth 4,11-12

Das Volk und die Ältesten waren Zeugen der Lösung. Sie sprachen Segnungen über diese Verbindung aus. Einige Namen werden genannt, die in der Heilsgeschichte Israels von Bedeutung sind. Zuerst heißt es: "Jehova mache das Weib, das in dein Haus kommt, wie Rahel und wie Lea, welche beide das Haus Israel erbaut haben" (Ruth 4,11).

Rahel und Lea

Rahel und Lea waren die zwei Frauen Jakobs; Lea war die ältere, Rahel die jüngere Tochter Labans, des Bruders der Rebekka. Auf Wunsch seines Vaters Isaak war Jakob in das Land der Verwandtschaft gegangen, um sich dort ein Weib aus dem Hause Abrahams zu nehmen. Als er der Rahel begegnete, gewann er sie sofort sehr lieb. Rahel war schön von Gestalt und schön von Angesicht (1. Mose 29,17). Jakob wollte sich Rahel zur Frau nehmen und diente um sie sieben Jahre. Nach Vollendung dieser Zeit sprach er zu Laban: "Gib mir mein Weib." Laban aber betrog ihn und gab ihm Lea, seine ältere Tochter. Da sprach Jakob zu Laban: "Was hast du mir da getan! Habe ich nicht um Rahel bei dir gedient? und warum hast du mich betrogen? Und Laban sprach: Es geschieht nicht also an unserem Orte, die Jüngere vor der Erstgeborenen zu geben" (1. Mose 29,25.26). Laban war schlau. Nur zu gut wußte er, daß sich wohl kaum ein Mann für Lea entschieden hätte; denn es heißt von ihr nicht, daß sie schön von Gestalt und schön von Angesicht war. Von ihr wird mitgeteilt, daß ihre Augen blöde waren. Und die Bedeutung ihres Namens ist "Ermüdete, Schlaffe". Genau diese Umstände der beiden Schwestern benutzt Gott, um einen Einblick in die Israelgeschichte zu geben. Lea und Rahel sind Bilder auf die zwei Bündnisse, die Gott mit Seinem Volk gemacht hat.

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Lea, die Erstgeborene, weist hin auf den ersten Bund. Ra-hel, die Geliebte, ist ein Bild auf den neuen Bund. Lea war die zuerst Geborene, ebenso war der erste Bund vor dem zweiten. Lea hatte keine Schönheit, nichts Ansprechendes. Der erste Bund, zu dem auch das Gesetz zählte, hatte nichts Schönes. Er stand in Verbindung mit "überströmender Sünde" (Rom. 5,20; Gal. 3,19). Lea wurde nicht geliebt, sondern gehaßt (1. Mose 29,31). Der erste Bund war durch das Gesetz mit Fluch verbunden (Gal. 3,10). "Das Gesetz bewirkt Zorn", heißt es in Rom. 4,15. Lea gebar Levi und Juda, d.h. der erste Bund brachte mit Aaron und David das Priester-tum bzw. das Königtum hervor.

Rahel wurde geliebt. Der neue Bund im Blute Jesu bringt Freude, Friede, Freiheit und Jubel. Rahel gebar Joseph und Benjamin, welche Schattenbilder auf Christus und den Überrest darstellen. Der neue Bund hat Christus und den Überrest hervorgebracht. Raheis Sohn Joseph zeugte Ephraim. Ephraim rückt zum Erstgeborenen auf mit allen Rechten des Erstgeborenen. Der neue Bund trifft seine Auswahl nach Gnade (Jer. 31,9). Rahel war schön von Gestalt und Angesicht. Der neue Bund befreit vom Gesetz der Sünde und bringt Vergebung. Obwohl Lea die Erstgeborene war, nennen die Ältesten und das Volk Rahel zuerst. Sie setzen Rahel vor Lea. So sollen die Segnungen des neuen Bundes an Ruth offenbar werden. Die Verheißungen des neuen Bundes sollen sich an dem Überrest Israels erfüllen. Wie wacht der Herr doch über Seinem Wort, daß Rahel vor Lea genannt werden muß!

Perez

Perez ist eine weitere Person, die zum Maßstab des Segens wird. In Ruth 4,12 heißt es: "Und von dem Samen, den Jeho-va dir von diesem jungen Weibe geben wird, werde dein Haus wie das Haus des Perez, welchen Tamar dem Juda geboren hat!" Die Erwähnung des Perez ist bemerkenswert,

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weil die Vorgeschichte seiner Geburt nicht nach den Ordnungen des Wortes Gottes verlaufen war. Und auch Perez sorgt bei seiner Geburt für Verwirrung (1. Mose 38,1-30).

In 1. Mose 37 beginnt die Schrift mit der Joseph-Geschichte. Joseph, der von seinen Brüdern verworfen worden war, ist ein deutliches Schattenbild auf den Herrn Jesus, der ebenfalls von Seinen Brüdern, den Juden, verworfen wurde. Juda war dann auch der, welcher anregte, Joseph an die Ismaeli-ter zu verkaufen (1. Mose 37,27). Darum unterbricht die Schrift den Ablauf der Joseph-Geschichte am Ende von Kapitel 37, gibt in Kapitel 38 einen Einschub über das Leben des Juda und setzt in Kapitel 39 die Lebensgeschichte Josephs fort. Was über Juda in Kapitel 38 mitgeteilt wird, zeigt, wie weit er sich von seinem Gott entfernt hat, und welche Folgen seine eigenen Wege haben. Was hier von Juda berichtet wird, trifft in gleicher Weise auf das Volk der Juden zu. Seine Wege sind ihre Wege geworden; seine Haltung Joseph gegenüber zeigt ihre Stellung zu Christus.

In 1. Mose 38,1 wird gesagt, daß Juda sich von seinen Brüdern absonderte. Er kehrte sich von seinen Brüdern und damit von allen übrigen Stämmen ab. Jetzt wird die Geschichte des Volkes der Juden mitgeteilt. Juda verschwägerte sich mit den Nationen (Vers 2), obwohl Gott gesagt hatte, daß sie es nicht tun sollten. Aus dieser Verbindung ging Frucht hervor. Es war eine böse Frucht, weil Juda einen verbotenen Weg ging. Drei Söhne wurden ihm geboren: Gher, Onan und Schela.

Gher (Vers 3): Gott mußte ihn wegnehmen, weil er böse war. Gher heißt "der Wachende"! Das Volk wachte nicht über dem Worte Gottes. Sie lebten gottwidrig, darum mußte Gott die Juden richten.

Onan (Vers 4) verderbte seinen Samen. Die Bedeutung seines Namens ist "kräftig, Kraft, stark". Das Volk verwand

te seine Kraft und seine Stärke, um für sich selbst zu leben und nicht für den Herrn. Gott tötete auch Onan.

Schela (Vers 5): Juda wußte, daß dieser Sohn nicht besser war als seine Brüder (Vers 11). Die Bedeutung seines Namens sagt aus, wie das Volk sich in seinem Dienst für Gott verhielt – "schlaff, ruhig, nachlässig, sorglos, sicher".

Diese drei Söhne zeigen die Frucht, die das Volk der Juden während der 2000 Jahre Gnadenzeit bringt.

Tamar war die Frau Ghers, des ältesten Sohnes. Sie wurde Witwe, weil Gott Gher wegnahm. Wie ähnelt dieser Verlauf doch der Lebensgeschichte Ruths! Onan hätte Tamar nun die Schwagerpflicht leisten müssen, damit der Name des Verstorbenen nicht ausgelöscht würde in Israel (5. Mose 25,5ff). Juda wußte das und gebot seinem zweiten Sohn, also zu tun. Doch der verweigerte diese Pflicht und wurde von Gott getötet. Aus Angst, sein dritter Sohn könnte ebenso umkommen wie die anderen, enthielt er Tamar, seiner Schwiegertochter, diesen Sohn vor (Verse 11 und 26).

Damit wird Juda zu dem "Barfüßigen", von dem 5. Mose 25,9.10 redet. Dort steht: Wenn ein Mann die Schwagerpflicht verweigert, soll die Schwägerin "vor den Augen der Ältesten zu ihm hintreten, und ihm den Schuh von seinem Fuße ausziehen und ihm ins Angesicht speien; und sie soll antworten und sprechen: Also soll dem Manne getan werden, der das Haus seines Bruders nicht bauen will! Und sein Name soll in Israel 'das Haus des Barfüßigen' heißen."

So verlor der Schwager alle Rechte des Lösers, und auch sein eigenes Haus wurde bloßgestellt und dem Schimpf und der Schande preisgegeben. Wie anders hatte doch Boas getan, und wie wird der Erlöser Jesus Christus an dem Volk der Juden handeln! Wenn Er sie nicht lösen würde, wie könnten sie bestehen? Was hatte Juda aus sich gemacht!

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"Als der Tage viele geworden, da starb die Tochter Schuas, das Weib Judas" (Vers 12). Für Juda, den Sohn Jakobs, wurde die Zeit, die er mit dem kanaanitischen Weib verbrachte, zu vielen Tagen. Für das Volk der Juden wird die Zeit der Vermischung und Zerstreuung unter den Nationen zu vielen, vielen Jahren. Erst eine gewaltsame Trennung beendet diese Verbindung. Juda begibt sich in Begleitung seines Freundes Hira zu seiner Schafherde. Hier wird angedeutet, daß auch dann, wenn die Juden sich nach folgenschwerer Vermischung wieder zu einer Herde vereinigen, eine Freundschaft mit den Nationen dennoch bestehen bleibt. Die Umkehr zu ihrem Gott liegt noch in weiter Ferne.

Tamar war Witwe wie Ruth – bildlich gesehen wie Israel ohne Gott -, denn sie war ja durch die Heirat mit Gher eine Tochter Israels geworden. Tamar besann sich auf das, was ihr zustand. Sie nahm sich, was ihr von Gott zuerkannt war, nämlich den verheißenen Samen. Sie legte ihre Witwenkleider ab. Das bedeutet: Die Juden besinnen sich auf Gott und fordern von Ihm, was ihnen nach dem Gesetz zusteht. Was fordern sie? Daß ihr Name erhalten bleibe in Israel. Tamar verschleierte sich, setzte sich an den Wegrand. Juda, der vorüberging, hielt sie für eine Hure und ging mit ihr.

Was nun geschieht im Verlauf der Mitteilungen, ist verborgene Heilsgeschichte Israels. Gott schenkt erneut einen Einblick in das Erlösungswerk Seines Sohnes, Jesus Christus. Als Juda zu dem Weibe einging, fragte sie: "Was willst du mir geben, daß du zu mir eingehst?" Juda sprach: "Ich will dir ein Ziegenböcklein von der Herde senden" (Vers 16). Juda wollte den Preis stellen, um sie sich zu erkaufen. Hier kommt eine erste Hindeutung auf das Opferlamm Jesu Christi. Ein Ziegenböcklein wurde für ein Sündopfer genommen. Juda konnte es nicht sofort stellen, weil er sich zu der Zeit nicht bei der Herde aufhielt. Das Weib sprach: "Wenn du ein Pfand gibst, bis du es sendest" (Vers 17). Ein l'faiul ist ein Gegenstand, den ein Schuldner dein Cläubiger zur

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Absicherung seiner Forderung überläßt. Das heißt hier: Sie erhält ein Pfand, bis Juda ihr das Ziegenböcklein überbringen lassen kann. Von dem Herrn heißt es in Jes. 53,10: "Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen." Bis die Juden das Opfer Jesu annehmen, bekommen sie drei Verheißungen, sozusagen als Unterpfand. Die drei Gegenstände, die Tamar von Juda forderte, beinhalten Verheißungen, die Gott Seinem Volk gegeben hat. Tamar verlangte (Vers 18):

1. Seinen Siegelring. Ein Siegel dient zur Beglaubigung. Juda steht mit seiner Person hinter diesem Versprechen. In der Joseph-Geschichte tritt Juda als Bürge für Benjamin, den Überrest, ein. Der Herr sagt am Jakobsbrunnen: "Das Heil ist aus den Juden" (Joh. 4,22). Das Heil ist Christus.

2. Seine Schnur. In 1. Chr. 16,18 steht geschrieben: "Dir will ich das Land Kanaan geben als Schnur eures Erbteils." (Siehe auch Ps. 78,55.) Die Schnur dient als Maß (Jes. 44,13).

3. Seinen Stab. Hierin liegt die Verheißung von Ps. 60,7 und Ps. 108,8: "Juda mein Herr scher stab." In der Fußnote heißt es "mein Gesetzgeber". Auch in den Segnungen Jakobs in 1. Mose 49,10 wird davon geredet.

Diese Verheißungen stehen in Beziehung zum Ziegenböcklein. In Jesus Christus werden sich diese drei Versprechen für das Volk Israel erfüllen.

Tamar ergreift die drei Gegenstände. Das bedeutet: Gott hat diese Verheißungen in die Hand Israels gelegt, bis Juda das versprochene Ziegenböcklein gestellt haben wird. In Vers 19 legte Tamar ihre Witwenkleider wieder an. Das bedeutet: Der Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Israel ist noch Witwe, sie leben heute noch im Widerspruch zum Wort Gottes. In Vers 20 stellte Juda zwar das Ziegenböcklein, aber er

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übergab es seinem kanaanitischen Freund. Dieser sollte es dem Weib bringen. Doch sie war nicht mehr aufzufinden, weil sie wieder Witwe geworden war. Christus kam in das Seinige, aber die Seinigen nahmen in nicht an (Joh. 1,11). Die Bereitschaft war nicht vorhanden. So kam das Heil zu den Nationen. Paulus spricht davon in Rom. 11,11 : "Durch ihren Fall ist den Nationen das Heil geworden."

Als Juda hörte, daß Tamar schwanger war, wollte er sie wegen ihrer Hurerei töten lassen. Tamar zeigt ihm die drei Gegenstände seines Pfandes. Juda erkennt seine Schuld, sein Versäumnis an seiner Schwiegertochter. Ihm wird seine "Barfüßigkeit" bewußt, er ist von seiner Sünde überführt. Da aber aus Juda der Christus kommt, steht Er mit der Sünde dieses Volkes in Verbindung, d.h. daß die Schuld der Juden, für die Er Sein Leben gibt, Ihm zugerechnet wird wie Seine eigene Schuld. Wenn dem Volk der Juden dieses Opfer einmal bewußt wird, wie groß muß dann ihre Hingabe an Ihn sein! Ihre Dankbarkeit wird über die 1000 Jahre Friedensreich hinausreichen.

"Und es geschah zur Zeit, als sie gebären sollte, siehe, da waren Zwillinge in ihrem Leibe. Und es geschah, während sie gebar, da streckte einer die Hand heraus, und die Hebamme nahm sie und band einen Karmesinfaden um seine Hand und sprach: Dieser ist zuerst herausgekommen. Und es geschah, als er seine Hand zurückzog, siehe, da kam sein Bruder heraus; und sie sprach: Wie bist du durchgebrochen! auf dir sei der Bruch! Und man gab ihm den Namen Perez. Und danach kam sein Bruder heraus, um dessen Hand der Karmesinfaden war, und man gab ihm den Namen Serach" (1. Mose 38,27-30). Weil Perez und Serach Zwillinge waren, sind sie als eine Einheit zu betrachten. Mit Gewalt hatte sich Perez die Erstgeburt erobert und damit den Erstgeburtssegen, d.h. Vorzug an Hoheit, Vorzug an Macht. Was in diesem Ablauf zum Ausdruck gebracht wird, ist das Verhalten der Juden zu ihrem Gott. So wie Tamar sich auf eine

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ungöttliche Weise, mit Gewalt, Recht verschaffte, so wird dieses Verhalten auch in Perez fortgesetzt.

"Auf dir sei der Bruch!" (oder Riß), so wurde Perez bei seiner Geburt gesagt. Das war kein Segensspruch, das war eine düstere Prophezeiung. Man hatte sein gewaltsames Vorgehen bei der Geburt auf sein späteres Verhalten seinem Bruder gegenüber gedeutet. Darum hatte man ihm nicht nur keinen Zweitgeburtssegen gegeben, sondern ihn dem Untergang preisgegeben. So war es dann auch gekommen. Die Juden und ihr Königtum erlitten einen Bruch, einen tiefen Riß, der nicht wieder zu heilen war. Der Aufgang des Volkes und Glanz des Königtums – "Aufgang, Glanz" bedeutet der Name seines Bruders Serach – waren untergegangen und erloschen. Deswegen ließ Gott es zu, daß Serach bei seiner Geburt zurückgedrängt wurde.

In Jes. 22,9; 30,13 und Hes. 22,23-31 spricht Gott vom Riß, der an Seinem Volk erkennbar ist. Er sucht nach einem Mann, der für das Land in den Riß treten möchte, aber Er findet keinen (Hes. 22,30). Doch der allmächtige Gott läßt Sein Volk nicht gänzlich umkommen. In Arnos 9,11 gibt Er eine Verheißung: "An jenem Tage werde ich die verfallene Hütte Davids aufrichten und ihre Risse vermauern und ihre Trümmer aufrichten, und ich werde sie bauen wie in den Tagen vor alters." Gleich Mose wird der Herr Jesus dann für Sein Volk in den Riß treten (Ps. 106,23). Er wird für sie bitten, und Gott wird erhören (Hebr. 5,7). Ja, am Kreuz bat der Herr bereits für sie, indem Er sprach: 'Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"

Mit Perez, der auf ungöttliche Weise gezeugt wurde und bei seiner Geburt keinerlei Verheißungen wegen seines "gewalttätigen Verhaltens" erhielt, begann Gott eine Segenslinie, aus der die großen Führer der Juden hervorkamen: Isai, David, die alle in ihrem persönlichen Verhalten ein Schattenbild auf den Vater im Himmel oder den Christus wurden.

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Gott ließ es zu, daß Serach bei seiner Geburt zurückgedrängt wurde. Den Erstgeburtssegen, der in der Namensbedeutung "Serach" liegt, hatte Perez sich mit Gewalt genommen. Doch "Aufgang und Glanz" des Volkes und Königtums wird Juda erst im Tausendjährigen Reich erfahren, wenn sie an Jesus Christus glauben, der für ihre Sünden am Kreuz gestorben ist. Er muß ihr Tun bestimmen können.

Es ist nicht von ungefähr, daß die Hebamme einen Karmesinfaden um das Handgelenk Serachs band. Auch wenn sie selbst sich nichts dabei gedacht haben mag, ließ Gott es zu und verband damit eine Aussage. Karmesin hat seinen Namen vom roten Farbstoff Karmin, der aus der Schildlaus gewonnen wird. Nach Anordnung Gottes fand Karmesin Verwendung in der Stiftshütte, im hohenpriesterlichen Kleid und bei der Reinigung von Aussatz (3. Mose 14,1-7). Aussatz ist ein Bild der Sünde. Das Gesetz zur Reinigung von Aussatz besagte, daß Zedernholz, Karmesin und Ysop in das Blut eines geschlachteten Vogels getaucht und auf den, der zu reinigen war, siebenmal gesprengt werden mußte. Diese Handlung bildete den Abschluß einer solchen Reinigung. Die Sünde des Aussatzes war gesühnt.

Karmesin steht also in Verbindung mit der Sühnung von Sünde. Darum heißt es am Ende einer solchen Reinigung: "Und so tue der Priester Sühnung für ihn; und er ist rein" (3. Mose 14,20). So kann im Karmesin "Christus der Gekreuzigte" erkannt werden. Johannes sagt: "Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt … Hierin ist die Liebe: nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden" (1. Joh. 2,2; 4,10). Jesaja vergleicht auch Sünden mit der roten Farbe Karmesin. In Jes. 1,18 heißt es: "Kommt denn und laßt uns miteinander rechten, spricht Jehova. Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Sehnt'»« nullen nie weiß werden; wenn sie rot sind wie Km-meiim, wie Wtilh«

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sollen sie werden." Dies erinnert an die Blutschuld, welche die Menschen auf sich geladen haben, als sie den Herrn ans Kreuz nagelten, und Er die Sünden der Welt auf sich nahm.

obed, die kostbare frucht

Ruth 4,13-17

"Und Boas nahm Ruth, und sie wurde sein Weib, und er ging zu ihr ein; und Jehova verlieh ihr Schwangerschaft, und sie gebar einen Sohn … und sie gaben ihm den Namen Obed." Das heißt "Diener". Obed weist alle Wesenszüge und Wirkungsweisen des Herrn Jesus auf. So war der Herr nicht in diese Welt gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen (Matth. 20,28). Bemerkenswert ist, daß es heißt: "Ein Sohn ist der Noomi geboren!" Noomi ist ein Bild auf das Gesetz. Von dem Herrn wird gesagt: "… geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz" (Gal. 4,4). Von Obed heißt es: "Gepriesen sei Jehova, der es dir heute nicht hat fehlen lassen an einem Löser!" Und von dem Herrn wird gesagt: "… auf daß er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte" (Gal. 4,5). Von Obed wird gesagt: "Sein Name werde gerühmt in Israel!" Und von dem Herrn heißt es: "Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung" (Offenb. 5,12). Von Obed wird gesagt: "Er wird dir ein Erquicker der Seele sein." Die Emmaus-Jünger sprechen: "Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Wege zu uns redete, und als er uns die Schriften öffnete?" (Luk. 24,32). Von Obed steht geschrieben: " … und ein Versorger deines Alters!" Die Zeit des Alters deutet hin auf das Ende der Gesetzeszeit. Der Herr sagt dazu: "Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen" (Matth. 5,17). Durch die Erfüllung wurde dem Gesetz Genüge getan. Er hat es in ganzer Fülle

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dargestellt. Das war keinem Menschen vor Ihm möglich. Nun konnte das Gesetz abgeschafft werden. "Was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe" (Hebr. 8,13). Obed war die kostbare Frucht der Liebe von Boas und Ruth. Wie konnte aus einer Moabitin solch eine Frucht hervorkommen? Die Antwort heißt: "Deine Schwiegertochter, die dich liebt, hat ihn geboren." Die Liebe zu Noomi führte Ruth in die Gemeinschaft mit Boas.

Die Liebe zum Wort Gottes führt zur tiefen Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus. Und aus der innigen Gemeinschaft mit dem Herrn kann nur Jesus hervorleuchten, das ist Sein Wesen und Seine Gesinnung. Ruths Liebe war allen offenbar geworden. Die Frauen sagen zu Noomi: "… sie, die dir besser ist als sieben Söhne." Vielleicht dachten sie an Machion und Kiljon. Wenn ich "nicht Liebe habe", so sagt der Korinther-brief, "so bin ich nichts." Der Herr Jesus beschreibt die Liebe zu sich und seinem Wort so: "Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden" (Matth. 16,24.25). Ruth verließ ihr altes Leben und wurde von Boas angenommen.

Ruth 4,16: "Und Noomi nahm das Kind und legte es auf ihren Schoß und wurde seine Wärterin." Alle Führer Israels wuchsen im Schoß des Wortes Gottes und des Gesetzes auf. David sagt: "Er führt mich zu stillen Wassern. Er erquickt meine Seele, er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen" (Ps. 23,2.3). Und Wege der Gerechtigkeit sind nur auf der Grundlage des Wortes zu finden.

Bittet um die Wohlfahrt Jerusai,kms! es gehe wohl denen, die dich lieben i Psalm i 22,6

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